Debatte um den Neustädter Markt in Dresden: „Bitte nicht noch einen Postplatz!“

Dresdner Neueste Nachrichten vom 15.1.2020

Die politische Debatte über Neustädter Markt und Königsufer beginnt. Im DNN-Interview fordert Torsten Kulke, Vorstandsvorsitzender der Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden, mehr Mut und Weitblick bei der Neugestaltung des Neustädter Marktes. Und eine Verkleinerung der Großen Meißner Straße.

Wie weiter am Königsufer und am Neustädter Markt? Der Ausschuss für Stadtentwicklung und Bau befasst sich am Mittwoch mit Vorlagen der Stadtverwaltung und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Die Lesart: Das Königsufer soll nach den Entwürfen des Siegers eines aufwendigen Wettbewerbs gestaltet werden. Die vorgeschlagene Bebauung für den Neustädter Markt wird dagegen abgelehnt. Torsten Kulke, Vorstandsvorsitzender der Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden, widerspricht im DNN-Interview.

Keine Bebauung des Neustädter Marktes – können Sie mit dieser Empfehlung leben?

Die Stadtverwaltung hat mit sehr großem Aufwand einen Wettbewerb durchgeführt. Die Bürgerbeteiligung war vorbildlich, die Öffentlichkeit konnte die Entwürfe der Wettbewerbsteilnehmer eher sehen als die Jurymitglieder. Dann hat die Jury entschieden, und ich kann nicht erkennen, dass sie falsch lag. Da muss die Verwaltung überlegen, wie sie die Entscheidung umsetzt. Das will ja auch ein großer Teil der Bevölkerung.

Es gibt aber auch Protest und Petitionen gegen eine Bebauung des Neustädter Marktes. Soll die Stadt das ignorieren?

Ich glaube nicht, dass die Proteste und Petitionen von einigen Vereinen wie Neustädter Freiheit oder Konglomerat die Grundlage für einen Stadtratsbeschluss bilden können. Als Stadtrat sollte man einen gewissen Mut mitbringen und in größeren Zusammenhängen denken.

Die da wären?

Natürlich muss die Neugestaltung in Stufen erfolgen. Da kann man durchaus mit dem Königsufer beginnen. Aber schon im nächsten Schritt müssen wir über die Straße sprechen. Wollen wir wirklich eine vierspurige Bundesstraße mitten durch innerstädtische Bereiche direkt über einen bedeutenden innerstädtischen Platz führen? Ist das unser Verständnis von modernem Städtebau? Darum geht es.

Sie wollen die Große Meißner Straße einspurig gestalten?

Wir reden hier über einen Zeitraum von 30 bis 50 Jahren. Und wir brauchen eine Vision. Wenn wir immer nur im Klein-Klein denken, landen wir dort, wo wir heute am Postplatz oder am Straßburger Platz stehen. Da können wir die Ergebnisse dieser Denkweise bewundern. Das Gleiche droht am Neustädter Markt, wenn wir nicht über unseren Schatten springen. Wenn wir nicht jetzt schon darüber nachdenken, wie wir den Straßenraum verkleinern, kommen wir nicht voran. Es geht doch um Prozesse, die 20 Jahre dauern. Ehrlich gesagt, es enttäuscht mich, dass die Grünen die Große Meißner Straße nicht antasten wollen.

Es werden doch aber Abbiegespuren von der Großen Meißner Straße zurückgenommen. Reicht das nicht?

Das ist zu wenig. Die nördlichen Fahrspuren müssen weg. Dann muss es bei einer Bebauung des Neustädter Marktes auch keinen Eingriff in die denkmalgeschützten Brunnenanlagen geben, weil genügend Platz da ist. Wer den Fußgängertunnel zuschüttet, muss auch den zweiten Schritt gehen. Diese Schneise darf es nicht mehr geben.

Wo sollen denn die Autos hin?

Dafür muss und wird es Lösungen geben. Es ist genug Zeit, daran zu arbeiten und vernünftige Konzepte vorzulegen. Die Stadtverwaltung sollte vom Stadtrat einen Prüfauftrag mit Terminvorgabe für die Lösung der Problematik erhalten.

Werden Hauptstraße und Barockviertel nicht noch mehr abgehängt, wenn der Autoverkehr eingeschränkt wird?

Im Gegenteil. Diese Viertel haben in den vergangenen zehn Jahren nicht unbedingt einen Aufschwung mitgemacht. Die Touristen kommen von der Altstadt nicht in die Innere Neustadt. Weil eine Flaniermeile und Frequenzbringer fehlen. Die Menschen wollen keine Verkehrsschneisen überqueren. Sie wollen Schaufenster anschauen und gastronomische Angebote nutzen. Das Königsufer kann noch so schön kleinteilig bebaut werden, in ihrem jetzigen Zustand zerstört die Große Meißner Straße jede Verbindung zum Neustädter Markt.

Der Siegerentwurf geht von einer vierspurigen Verkehrsachse aus. Was empfehlen Sie?

Wir empfehlen einen Blick auf den zweitplatzierten Entwurf von Jordi, Keller, Pellnitz, Kautz, Krause. Dieser Entwurf ist städtebaulich und auch architektonisch ausgereift, wenn ich nur an die vorgeschlagene Arkadenlösung auf der Nordseite von Große Meißner Straße/Köpckestraße denke. Hier werden auch die Fahrspuren auf je eine Richtungsfahrbahn reduziert. Wenn auch noch die Grünflächen am Neustädter Markt erhalten werden können, spricht alles für den Entwurf.