Der Neumarkt-Kuchen ist verteilt

www.sz-online.de vom 18.05.2017

Inzwischen ist klar, wie die letzten Objekte aussehen werden. Ende 2019 soll der Wiederaufbau abgeschlossen sein.

Von Lars Kühl

Hinterm Polizeipräsidium klafft ein riesiges Loch. Im Sommer wird auch das geschlossen, dann beginnt die CG-Gruppe, das Quartier Hoym zu bauen. Von der Rampischen Straße aus ist bis dahin die Aussicht auf das wundervoll wiederaufgebaute British Hotel an der Landhausstraße geradezu berauschend – wenn man denn auf Rekonstruktionen steht. Von denen gibt es am Neumarkt inzwischen reichlich.

Denn das war die wichtigste Aufgabe, als 2005 mit der Bebauung von Dresdens herausragendstem Platz begonnen wurde, nachdem dieser im Februar 1945 in kürzester Zeit ausradiert worden war. Heute ist das Leben in die Gässchen zurückgekehrt, die kleinteilige Struktur mit verwinkelten Ecken und wohltuender Enge begeistert, bevor aus allen Richtungen der beeindruckende Blick auf die frei stehende Frauenkirche jeden Besuch krönt.

Die meisten Objekte sind fertig. Ein Fragezeichen steht noch hinter dem früheren Hotel Stadt Rom zwischen Moritz- und Kleiner Kirchgasse. Wenn es rekonstruiert wird, müsste sein Standort versetzt werden.

Die restlichen Lücken werden jetzt geschlossen. Wöchentlich lässt sich der Baufortschritt an hochwachsenden Wänden erkennen. Nur das wenigste – die Leitbauten, wie beispielsweise das Dinglingerhaus am Jüdenhof – wurde detailgetreu nachempfunden.

Einige Häuser bekommen eine originale Fassade davorgehangen, wie das Hotel de Saxe, andere, wie das ehemalige Kaufhaus Au petit Bazar, sind historisierend. Ergänzt werden die Ensembles durch zeitgenössische Architektur. An deren Aussehen entzünden sich lebhafte Diskussionen. Oft setzen das Stadtplanungsamt und die eigens gegründete Gestaltungskommission dabei Entwürfe durch, die von der Gesellschaft Historischer Neumarkt, dem bürgerlichen Wächterverein, abgelehnt werden – wie zum Beispiel beim Inside-Hotel an der Salzgasse.

 

Kommentar: Die Stadt hat ihr Herz zurück
Lars Kühl über den fast vollendeten Neumarkt

Die Grube stört mich. Jedes Mal, wenn ich zum Neumarkt will, schaue ich in die riesige Baulücke neben dem Polizeipräsidium. Ich kann es kaum erwarten, bis sie geschlossen ist. Bei den anderen Baustellen rund um die Frauenkirche geht es mir genauso – ein kranfreier Neumarkt wird mir das Gefühl geben, dass etwas ganz Besonderes geschaffen wurde.

Nämlich nicht nur die Wiederbebauung, sondern auch die Wiederbelebung von Dresdens Innerstem. Klar gibt es andere Ecken, wo sich viele Bürger mehr heimisch fühlen. Aber beim Anblick der zahlreichen, in der Mehrzahl gelungenen Ensembles bin ich stolz und froh, in dieser Stadt zu leben. In Rekordzeit wurde es erreicht, dem Platz wieder eine Identität zu geben. Bei aller Disneyland-Kritik, die unangebracht ist, schauen die Macher in anderen Ort neidisch nach Dresden. Mit Recht. Denn was hier entstanden ist, ist vorbildlich. Die Touristen und Einheimischen, die über den Neumarkt flanieren, staunen und sich die Finger mit ihren Kameras wund knipsen, oder einfach nur ein Bier trinken, können sich nicht täuschen. Dresden hat sein Herz zurück.