Günter Blobel ist tot

Der deutschstämmige Medizin-Nobelpreisträger Günter Blobel ist tot. Der Wissenschaftler hatte sich leidenschaftlich beim Wiederaufbau Dresdens eingebracht.

Sächsische Zeitung vom 20.02.2018

 

Die Nachricht verbreitete sich am Montagmorgen zunächst über den Kurznachrichtendienst Twitter: Günter Blobel ist tot. „Habe gerade davon erfahren. Es ist ein furchtbar trauriger Tag für die Rockefeller University und die Forschergemeinschaft“, schrieb eine Mitarbeiterin der New Yorker Universität.

Heidrun Hannusch bestätigte wenig später die Nachricht. „Ich bin unsäglich traurig. Er starb am Sonntag nach langer schwerer Krankheit“, sagte die mit Blobel befreundete Vorsitzende des Vereins Friends of Dresden, der den Dresdner Friedenspreises verleiht. Eigentlich wollte Blobel am Sonntag bei der Verleihung des Preises an den früheren Weltklasse-Sprinter Tommie Smith per Video in der Semperoper zugeschaltet werden. „Doch das war schon nicht mehr möglich“, so Hannusch. Blobel wurde 81 Jahre alt.

Die Rockefeller University, an der Blobel rund 50 Jahre wirkte, informierte bereits am Sonntag in einem internen Schreiben die Mitarbeiter und Forscher. „Er wird schmerzlich vermisst werden“, schrieb der Präsident der New Yorker Universität, Richard Lifton. „Günter löste eines der Hauptprobleme in der Zellbiologie – wie neu synthetisierte Proteine für den Export aus der Zelle oder zu anderen Zellorganellen gerichtet sind“, fasste Lifton die bis heute wegweisende Entdeckung zusammen und bezeichnete Blobels Arbeit als „bahnbrechend“. Sie sei der „Grundstein für das moderne Gebiet der molekularen Zellbiologie“, auf dem Generationen von Wissenschaftlern nun ihre Erkenntnisse aufbauen würden. 1999 erhielt Blobel für seine Forschung den Medizin-Nobelpreis.

Verdient gemacht hat sich Blobel auch um den Wiederaufbau Dresdens. Als Neunjähriger war er auf seiner Flucht aus Schlesien nach Dresden gekommen. Blobel lernte die Stadt in ihrer alten Form kennen und erlebte die Zerstörung mit. Die Bilder des lebendigen, historischen Dresdens ließen ihn nie wieder los. Als er den Nobelpreis bekam, spendete er 820.000 Euro vom Preisgeld für den Wiederaufbau der Frauenkirche.

Auch bei der Gestaltung des über Jahre wieder neu aufgebauten Neumarkts mischte und wirkte Blobel mit. Erst kürzlich feierte der Rohbau des „Au petit bazar“ Richtfest. Das kleine Neumarkt-Kaufhaus wird auf einem Grundstück gebaut, das Blobel gehört. Auch zu dieser Feierlichkeit Mitte Januar konnte er selbst nicht anreisen. Er sei aber immer auf dem Laufenden, ließ er die Gäste wissen und versprach: „Zur Eröffnung werde ich da sein.“

Heidrun Hannusch zeigte sich am Montag von der traurigen Nachricht aus New York sehr bewegt. „Wenn man ein Wort finden wollte, das Günter Blobel charakterisierte, war es Leidenschaft“, sagte sie in einem Gespräch mit der SZ. „Alles, was er tat, tat er mit grenzenloser Leidenschaft“, fügte sie hinzu und wies auch auf seine tragende Rolle bei der Verleihung des Friedenspreises „Dresden-Preis“ hin.

Die Stadt Dresden würdigte in einer Mitteilung das Wirken Blobels. Er sei ein wahrer Freund Dresdens gewesen. „Er hat sich nicht gescheut, auch kritische Töne anzuschlagen, wenn es an exponierten Orten der Stadt um die Frage ging, zu bewahren oder neu zu gestalten“, erklärte Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch (Die Linke) und hob vor allem Blobels Einfluss bei der Innenstadtgestaltung hervor.

Blobel wuchs in Sachsen. In Freiberg machte er sein Abitur. Wegen begrenzter Studienmöglichkeiten in der DDR setzte er sich in den 1950er Jahren in den Westen ab und studierte Medizin. 1967 promovierte er an der University of Wisconsin, seit 1969 lehrte er an der Rockefeller University in New York. Dort lernte er die Kunsthistorikerin und Restaurantbetreiberin Laura Maioglio kennen – seine spätere Ehefrau.

1987 erhielt er die US-amerikanische Staatsbürgerschaft. Doch er blieb mit seiner Heimat verbunden. Er bekam das Bundesverdienstkreuz verliehen und war bis zu seinem Tod stellvertretender Vorsitzender des Vereins Friends of Dresden. (fsc/sr/dpa)