Letzte große Grabung auf dem Dresdner Neumarkt

DNN vom 11.11.2016

Bis Ende Januar 2017 graben Archäologen auf dem Dresdner Neumarkt hinter dem Kulturpalast. Sie hoffen auf Funde aus 800 Jahren Stadtgeschichte. Es sind die letzten großflächigen Ausgrabungen auf dem Neumarkt. 70 Wohnungen und 11 Läden sollen später auf dem Areal entstehen. Grundsteinlegung ist voraussichtlich im September 2017.

Was man nicht alles findet, wenn man nur lange und gründlich genug gräbt: Am 11. November präsentierte Susanne Schöne das erste vollständig erhaltene Gefäß, das ein zehnköpfiges Grabungsteam des Landesamtes für Archäologie bei den Ausgrabungen an der Schloßstraße / Ecke Sporergasse hinter dem Kulturpalast gefunden hat. „Es könnte aus dem frühen 14. Jahrhundert stammen“, vermutet die Grabungsleiterin. Seit September bis voraussichtlich Ende Januar kommenden Jahres untersuchen die Archäologen bei Wind und Wetter im Quartier VII 1 die Überreste der freigelegten Kellergewölbe und Grundmauern der ehemaligen Bebauung genauer und dokumentieren sie. Es handelt sich um die letzten großflächigen Ausgrabungen auf dem Neumarkt. Wenn das geschafft ist, werden alle Quartiere, die nach der Beräumung der vom Krieg zerstörten Innenstadt unbebaut geblieben waren, archäologisch erforscht sein. Am 7. Dezember lädt das Landesamt für Archäologie Interessierte von 14 bis 16 Uhr zu einer öffentlichen Führung ein.

70 Wohnungen und 11 Läden sollen nach Informationen von Berndt Dietze, Chef der Bauherrin Baywobau Baubetreuung, Niederlassung Dresden, auf dem Areal gebaut werden. Die Investitionssumme beträgt insgesamt 36 Millionen Euro. Dietze rechnet damit, dass im Januar der Bauantrag gestellt und im September der Grundstein gelegt werden kann. „Am kommenden Donnerstag wird die Gestaltungskommision gemeinsam mit uns die fünf Entwürfe für die Bebauung beurteilen“, so Dietze. Man werde die Leitfassaden nach dem historischen Vorbild rekonstruieren. Zwei prägnante Gebäude befanden sich auf dem insgesamt 5000 Quadratmeter großen Areal – zum einen das um 1500 erbaute und mehrfach umgebaute Fürstliche Haus und zum anderen das Cäsarsche Haus, das 1781 im Rokokostil gebaut wurde. Beide Gebäude sind bekanntlich 1945 zerstört worden. Das Gebiet an der repräsentativen Schloßstraße nahe dem Schloss galt als eines der exklusivsten Viertel der Stadt.

„Wir erwarten hier Siedlungsbefunde der letzten 800 Jahre – von der Gründungszeit Dresdens im 12. Jahrhundert bis in die Gegenwart hinein“, erklärte Grabungsleiterin Schöne. Zunächst beräumen Bagger die Keller der Gebäude, die bis 1945 hier standen, vom Trümmerschutt. Dann nehmen die Archäologen das Areal unter die Lupe. „Wir haben aus den kleinen Hauskellergruben Keramik geborgen, die aus dem 12. Jahrhundert stammt“, berichtet Susanne Schöne. In einer großen Latrine auf dem Innenhof des Fürstlichen Hauses sei gleichfalls Keramik gefunden worden. „In solchen Abfallschächten versenkten die Dresdner einst nicht nur Fäkalien, sondern auch alltägliche Dinge, die sie nicht mehr brauchten“, berichtet die Archäologin. Das eingangs erwähnte Gefäß aus Keramik bargen die Archäologen aus einem kleinen rechteckigen Sandsteinschacht gleich in der Nachbarschaft, der verfüllt war und nun freigelegt wurde. Es datiert wahrscheinlich aus dem frühen 14. Jahrhundert. Noch unklar ist, ob es sich bei dem Schacht um eine Wasserziehstelle oder nur eine kleine Vorratsgrube gehandelt hat. „Abgesehen von dem Keramikgefäß haben wir bisher Metallfragmente, bearbeitete Steine, Glasreste und Ofenkacheln gefunden“, sagt Susanne Schöne.

Die Spuren des Krieges lassen sich in den Kellergewölben des ehemaligen Cäsarschen Hauses gut ablesen: „Der rot gefärbte Sandstein zeigt uns an, dass er einer großen Hitze ausgesetzt war“, erklärt die Grabungsleiterin. Bemerkenswert sei, dass man das Cäsarsche Haus bereits 1936 mit Luftschutzräumen versehen hat. Auch Teile von menschlichen Knochen, Schädel etwa, habe man schon geborgen. Nach Zeugnissen der Vergangenheit graben die Archäologen auch an der rückwärtigen Seite des Kulturpalasts. Um 1900 stand hier ein Bankgebäude mit einem modernen großen Keller und noch früher im 17. Jahrhundert ein sogenanntes Durchhaus mit Arkaden wie Barthels Hof in Leipzig, durch das man quasi durchlaufen konnte.

Funde wie das Gefäß aus dem 14. Jahrhundert gehen in den Besitz des Freistaates über und werden in das Landesamt für Archäologie nach Klotzsche gebracht. Nach der Reinigung, Beschriftung und Konservierung gelangen sie in die Depots des Archäologischen Archivs. Dort stehen sie dann beispielsweise für Ausstellungen zur Verfügung.

Aus der Historie

Bis Februar 1945 stand an der Schlossstraße / Ecke Sporergasse das sogenannte Fürstliche Haus, das um 1500 erbaut und mehrfach umgebaut wurde. Das Erkerrelief dieses Gebäudes mit Kurfürst Christian II. und seiner Ehefrau Hedwig von Dänemark ist im Stadtmuseum ausgestellt. Das Fürstliche Haus wurde nach diesem Relief benannt. Man weiß heute, dass der Kurfürst das Haus etwa 1610 komplett umgebaut und einem seiner getreuen Kammerdiener geschenkt hat. Für die benachbarten Gebäude werden sogar gotische Gründungen vermutet. Das neben dem Fürstlichen Haus gelegene Cäsarsche Haus wurde 1781 im Rokokostil neu erbaut. Benannt wurde es nach seinen Besitzern, der Familie Cäsar. In der Bombennacht im Februar 1945 wurde das gesamte Wohnquartier zerstört. Die Ruinen riss man Anfang der 1950er Jahre vollständig ab. Jahrelang diente die Fläche hinterm Kulturpalast als Parkplatz.