Neumarkt-Wächter wollen Neubau verhindern

Sächsische Zeitung vom 22.09.2016

Nach mehreren Entwurfsänderungen ist nächstes Jahr am Kulturpalast Baustart. Dagegen gibt es heftigen Widerstand.

Von Lars Kühl

Noch ist vom neuen Nachbarn des Kulturpalastes nichts zu sehen. Und trotzdem hat Torsten Kulke Angst vor seiner „brutalen Wirkung“ auf das sensible Umfeld. Im Namen der Gesellschaft Historischer Neumarkt (GHND) spricht der Vorstand von einem „klotzartigen Baukörper“, einer „Provokation in Beton“, die „in keiner Weise dem städtebaulich-gestalterischen Konzept“ entspricht.

Zwischen der Galerie- und Frauenstraße plant die KIB-Gruppe aus Nürnberg bis zur Schumachergasse das Moritzhaus, ein Wohn-, Büro- und Geschäftskomplex. Der Entwurf zeigt eine moderne Ausführung. Am Neumarkt, wo die GHND möglichst viel original rekonstruieren will, kommt das bei vielen Dresdnern nicht gut an. Das Gebäude, welches früher in etwa an dieser Stelle stand, kann nicht wieder errichtet werden. Das Gutbiersche Haus war barock, befand sich aber zum Teil auf der Fläche, wo heute der Kulturpalast ist.

Die Absage akzeptieren die Neumarkt-Wächter. Was sie aber rigoros ablehnen, ist die KIB-Variante. Der Investor habe es bis heute nicht geschafft, einen annehmbaren Entwurf vorzulegen, obwohl er „behauptet, alle Hinweise der GHND eingearbeitet zu haben“, sagt Kulke. Dazu zählten, die Art eines Gebäudes wie das Gutbiersche Haus aufzugreifen und sich dabei an der historischen Kleinteiligkeit und der Dachgestaltung zu orientieren. Die Vorschläge gehen auf Wettbewerbe von 1983 und 1995 zurück, sind „also keine Erfindung von uns“, ergänzt Kulke.

Stattdessen würde die KIB-Gruppe bei ihrem Bauklotz bleiben, bei dem die Proportionen nicht stimmig seien. Zum einen das Flachdach, dazu noch die gestaffelte Ausführung an der Ecke Frauenstraße/Schumachergasse, entsprächen nicht dem städtebaulich-gestalterischen Konzept in diesem Bereich. Besonders zum benachbarten Köhlerschen Haus, einem original rekonstruierten Rokoko-Bau, sei die Wirkung „brutal“.

Die Vorwürfe ärgern Sebastian Greim, bei der KIB-Gruppe für die Projektentwicklung verantwortlich. Man habe seit dem Planungsbeginn vor acht Jahren so viele Anpassungen vorgenommen, auch in Absprache mit der GHND. Eigentlich sollte das Moritzhaus seit fünf Jahren stehen. „Der alte Entwurf war schon extrem hart“, räumt der Geschäftsführer ein. Doch Greim zählt auf: Die Proportionen wurden angepasst, der Baukörper sei jetzt viel kleinteiliger, die Dächer unterschiedlich geneigt. Inzwischen seien außerdem zwei der drei nicht mehr grau, sondern sollen aus roten Ziegeln gestaltet werden.

Auch enthalte das Moritzhaus, im Übrigen ein Kunstwort mit Bezug zum gleichnamigen Herzog von Sachsen, deutlich mehr Schmuckelemente, vor allem an den Fenstern – angelehnt an frühere Bürgerhäuser in diesem Bereich. Ganz entscheidend sei auch, dass die Fassade nicht mehr grau und weiß gestrichen werden soll, sondern sandfarben. „Es bleibt ein modernes Gebäude“, sagt Greim, würde sich aber gut in das Ensemble zwischen Neumarkt, Kulturpalast und Wilsdruffer Straße einfügen – dort, wo Architekturstile verschiedenster Epochen von Barock bis Nachkriegsmoderne aufeinandertreffen. „Wir hatten keinen historischen Leitbau, also haben wir den Ort neu interpretiert.“ Was bleibt, ist der Blick auf die Frauenkirche vom Altmarkt aus. Oder eben auch nicht, denn dieser verschwindet, wenn das Haus steht – trotz aller Neuerungen während der Planung.

Die Baugenehmigung ist nun seit Juni da, im Frühjahr wird begonnen, erklärt Greim. Vorgesehen sind 780 Quadratmeter Handelsfläche im Erdgeschoss, darüber auf 2 300 Quadratmetern Büros und in den beiden Dachgeschossen acht Mietwohnungen. 2018 soll das Moritzhaus im Sommer, spätestens im Herbst stehen.

Das will die Gesellschaft Historischer Neumarkt verhindern, zumindest, wenn die KIB-Gruppe an ihrem jetzigen Entwurf festhält. Kulke sagt, dann werde die GHND „mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln“ Widerstand leisten. Noch besser wäre es aus ihrer Sicht, „das Bauvorhaben aufzugeben und das Grundstück zu verkaufen“, erklärt er. „Wir bieten dem Investor für diesen Fall unsere Hilfe an.“

Die lehnt Sebastian Greim dankend ab. Ein Verkauf kommt für die KIB-Gruppe überhaupt nicht infrage. „Wir finden unser Haus wirklich schön, so wie es jetzt ist.“

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Aus der Luft lässt sich bei dieser nicht aktuellen Darstellung erkennen, wie sich das Moritzhaus zwischen Kulturpalast und Heinrich-Schütz-Residenz einfügt. Die umrandeten Felder auf dem Neumarkt werden derzeit oder später bebaut. Im Vordergrund entsteht das „Palais am Neumarkt“. Das Quartier Jüdenhof (rechts daneben) ist fast fertig. © Visualisierung: KIB-Gruppe

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Ursprünglich gab es einen modernen, sehr unruhigen Entwurf. Der wurde fallengelassen, stattdessen wurde 2011 ein neuer vorgestellt (Bild). Auch der stieß auf heftige Kritik. © Repro: SZ

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Inzwischen hat die KIB-Gruppe zahlreiche Anpassungen vorgenommen, unter anderem am Dach, der Fassadenfarbe und der Kleinteiligkeit des Moritzhauses. © Visualisierung: KIB-Gruppe