Mittelalter

Ursprünglich gehörte das Gebiet des heutigen Neumarktes nicht zur Stadt Dresden.
Vor der Stadtmauer und dem „Frauentor“ lag die gotische Kirche Unserer lieben Frauen und deren Friedhof (im Bild links unten). Von diesem kleinen unregelmäßigen Platz zweigten etliche Straßen in Richtung Osten ab, so die Pirnaische- und die Rampische Straße. Lediglich der Jüdenhof lag innerhalb der Stadtbefestigung.

 

Renaissance

In der Renaissance wandelte sich Dresdens Stadtbild enorm. Die unter Herzog Moritz zur Residenz aufgestiegene sächsische Hauptstadt wuchs an, so dass auch das Gebiet des Neumarktes 1548 mit in das Stadtgebiet aufgenommen wurde. Ein aufwendiges Festungssystem mit Stadtmauer und -graben schützte die Stadt vor Angriffen. In dieser Zeit kristallisierte sich in etwa die stadträumliche Struktur des Neumarktes heraus. Prächtige Renaissancegiebelhäuser wie das alte Gewandhaus an der Stelle der ehemaligen Stadtmauer prägten das Platzbild. Bis ins 18. Jahrhundert allerdings engte der große Friedhof der alten, gotischen Frauenkirche den Platz stark ein. An politischen Ereignissen sticht die Hinrichtung des reformorientierten, calvinistischen, sächsischen Kanzlers Krell auf dem Jüdenhof am 09. Oktober 1601 heraus.

 

Frühbarock

Die berühmte geschlossene Stadtkomposition des Neumarktes als Gesamtkunstwerk bildete sich im goldenen augusteischen Zeitalter des frühen 18.Jahrhunderts heraus. Mittels strenger Bauregulative in Gebäudehöhe, Fassadengliederung und Baumaterial wurde eine sehr ausgereifte und noble Ästhetik erzielt, die zu den Höhepunkten barocker Stadtbaukunst zählt. Die großflächigen Veduten des Bernardo Bellotto (gen. Canaletto) demonstrieren anschaulich, wie auf dem Platz niedrige Renaissancegiebelgebäude neben 4-5 stöckigen barocken Bürgerhäusern vermischt nebeneinanderstehen. Links im Bild das Gewandhaus, welches zugunsten einer geplanten symmetrischen Barockplatzanlage 1791 abgetragen wurde. Vor der Frauenkirche befand sich die Altstädter Wache, welche den Blick auf das monumentale Kirchengebäude als ganzheitliche Einheit verstellte.

 

Spätbarock nach 1760

Während des Siebenjährigen Krieges 1756 bis 1763 wurde der Neumarkt von preußischen Truppen schwer zerstört. Fast die gesamte Pirnaische Vorstadt und damit ein Großteil des östlichen Neumarktes brannte bei dem massiven Artilleriebeschuss am 19. Juli 1760 ab.
Unter Beachtung der traditionellen Parzellenstruktur wurden die zerstörten Gebiete in den schlichten, maßvollen Formen des Dresdner Spätbarock wiederaufgebaut. Im Vergleich zum unübersichtlichen Platz vor 1760 entfaltete der spätbarocke Neumarkt nun ohne Gewandhaus und Hauptwache, deren Ruine 1766 abgerissen wurde, einen Klang von Harmonie und Klarheit.

 

Die Frauenkirche

Der Bau der Frauenkirche markierte die Wende in der Geschichte des Neumarktes.
Als Zentralbau wurde sie genau auf das unregelmäßige Platzbild „einjustiert“. Platz und Kirche verschmolzen zu einer Einheit. Ohne die Frauenkirche George Bährs hätte der Dresdner Neumarkt innerhalb der europäischen Stadtbaukunst niemals eine solche hohe Bedeutung entfalten können. Ihre runde Steinkuppel beherrschte nicht nur die Altstadtsilhouette, sondern gab den engen Gassen rund um den Neumarkt die vollendende Krönung. Erst die Frauenkirche, als Monument protestantischen Glaubens und bürgerlicher Gesinnung 1726 -1743 erbaut, verleiht dem Neumarkt Halt und Struktur. Sie ist von 1994 bis 2005 unter Verwendung der originalen Ruinenteile und des Trümmergesteins wieder aufgebaut worden.

 

19. Jahrhundert

Im 19. Jahrhundert erfuhr die stadträumliche Anlage des Neumarktes außer zwei Neubauten im Neorenaissancestil wenig Veränderung. Eine davon war der „Au petit Bazar“, das erste Kaufhaus Dresdens, 1851 von Bothen mit großen Schaufenstern an der Ecke Neumarkt/ Frauenstraße errichtet. Das bedeutende, historisch gewachsene Stadtbild des Neumarktes blieb bis 1945 in seiner geschlossenen urbanen Komposition erhalten.
Im politischen Leben der Stadt spielte der Platz eine wichtige Rolle.

1848/49 kam es während revolutionärer Erhebungen vom 3. bis 9. Mai 1849 zu erbitterten Kämpfen zwischen aufständischen Radikaldemokraten und konservativen sächsisch-preußischen Regierungstruppen. Der Neumarkt lag dabei besonders im Mittelpunkt heftiger Straßen- und Barrikadenkämpfe. Königlichen Truppen stürmten die Barrikaden (u. a. von Gottfried Semper entworfen) und arretierten die Revolutionäre nach dem Sieg in der Frauenkirche. Die ersehnte Einheit Deutschlands und eine Nationalverfassung, für die die Revolutionäre mit dem schwarz-rot-goldenen Banner gekämpft hatten, musste noch 22 Jahre bis 1871 warten.

 

20. Jahrhundert

Die Zerstörung Dresdens begann am 09. November 1938, als aufgeputschte Nationalsozialisten in einer Pogromnacht in ganz Deutschland Synagogen anzündeten, so auch die in Dresden von Gottfried Semper. Nach dem von Hitlerdeutschland entfachten II. Weltkrieg mit Millionen von Toten kam das Feuer zurück ins deutsche Reich. Die kunsthistorisch hoch bedeutsame Dresdner Innenstadt versank im Februar 1945 in Trümmer und Asche.
Der Platz um die mahnende Frauenkirche blieb später über Jahrzehnte unbebaut.
Allerdings unternahm die DDR-Regierung große Anstrengungen, das historische Erbe einiger weniger Großbauten wieder herzustellen, so z. B. das Johanneum, den Stallhof, das Ständehaus, die Kunstakademie, das Albertinum oder das alte Landhaus. Etliche aufbaufähige Fassaden, wie z. B. die Rampische Gasse, wurden dagegen bewusst gesprengt.

Diverse Planungen für den Neumarkt in den 50er bis 70er Jahren kamen alle nicht zustande (Beispiel Planung 1955 von Oswin Hempel). Erst in den späten 70er Jahren, als eine Erweiterung des Polizeipräsidiums nötig wurde, kam ein massiger Baukörper in sandstein-verkleideter Plattenbauweise, terrassenförmig abgestuft, hinzu. Er wurde 2005 abgerissen.
Das Devisenhotel Hilton (nicht für Ostmark vorgesehen), ein postmoderner Wendebau, wurde erst nach 1989 fertiggestellt.
Die zum Antikriegsmahnmal stilisierte Ruine der Frauenkirche spielte in den späten 80er Jahren eine besondere Rolle bei den Schweigedemonstrationen für mehr Demokratie und Freiheit rund um den Gedenktag am 13. Februar. Brennende Kerzen wurden in Stille abgestellt – verbunden mit dem Wunsch nach Abrüstung in Ost und West („Schwerter zu Pflugscharen“).

 

21. Jahrhundert

Am 30. Oktober 2005 ist die Dresdner Frauenkirche unter weltweitem medialen Interesse durch den sächsischen Landesbischof Jochen Bohl geweiht worden. Mit dem fertig gestellten Wiederaufbau der strahlenden Barockkirche entsteht auch das unmittelbar städtebauliche Umfeld in einem Prozess von mehr als 15 Jahren neu. Dresden erhält seine alte Mitte mit einer wegweisenden Mischung aus Tradition und Moderne wieder. Heimatliebe und Weltoffenheit werden diesen Platz, so unsere Hoffnung, in einem gemeinsamen friedlichen Europa des 21. Jahrhunderts prägen.

Text: Thomas Kantschew