Bekommt der Neustädter Markt einen Durchbruch?

Die Stadt hält am Abriss von Wohnungen fest, obwohl Anwohner in der Bürgerwerkstatt andere Vorschläge hatten.

Sächsische Zeitung vom 20.12.2017

Von Kay Haufe

Jessica Dauth wohnt seit zehn Jahren am Neustädter Markt. Ihr Plattenbau ist unsaniert, die Fenster undicht. „Aber die Lage mit Blick auf die Altstadtsilhouette ist unbezahlbar und die Hausgemeinschaft gut“, sagt die 28-Jährige. Voller Hoffnung war sie am 9. November zur Bürgerwerkstatt der Stadt gegangen, um dort Argumente für den Erhalt der Häuser vorzubringen. Denn Pläne der Stadt besagen, dass es zwei Durchbrüche am Neustädter Markt geben soll, denen mindestens zwei Hauseingänge zum Opfer fallen müssten. Ziel ist, das Barockviertel um die Rähnitzgasse besser anzubinden, damit Dresdner und Touristen einen besseren Zugang haben. Auf der östlichen Seite soll mit dem Abriss die Verbindung zur früheren Kasernenstraße hergestellt werden, die einst zum Archivplatz führte. „Doch wenn es extra eine Werkstatt gibt, merken die Stadtplaner hoffentlich, dass bezahlbare Wohnungen an der Stelle wichtiger sind als die Blickbeziehungen“, sagt Jessica Dauth.

Die Stadt erteilt dieser Hoffnung jedoch eine Absage. „Das Bearbeitungsgebiet des Wettbewerbs Neustädter Markt/Königsufer endet am baulichen Bestand des Neustädter Marktes“, schreibt Baubürgermeister Raoul Schmidt-Lamontain (Grüne) auf SZ-Anfrage. Und verweist auf einen städtebaulichen Wettbewerb, den der Großvermieter Vonovia in wenigen Monaten starten will. „Die Vonovia möchte ihre Bestände kurzfristig sanieren, da aufgrund des baulichen Zustandes der noch unsanierten Wohngebäude am Neustädter Markt ein großer Handlungsdruck besteht“, sagt Schmidt-Lamontain. Geplant sei ein Werkstattverfahren, bei dem mehrere Architekturbüros beauftragt werden, qualitätsvolle Lösungen für die Sanierung zu finden.

Der Wettbewerb soll von April bis Juni 2018 dauern, die Teilnehmerzahl stehe aber noch nicht fest. Wann es danach mit den Bauarbeiten losgeht, ist noch völlig unklar, sagt Vonovia-Sprecherin Bettina Benner. Für die Mieter dürfte interessant sein, dass die Sanierung in bewohntem Zustand stattfinden soll, Grundrisse der Bestandswohnungen sollen im Wesentlichen nicht verändert werden. „Bezahlbarer Wohnraum soll selbstverständlich erhalten bleiben“, sagt die Vonovia-Sprecherin.

Sie stellt jedoch klar, dass die Vorgaben der Stadt zu den Durchbrüchen in der Aufgabenstellung enthalten sein werden. Und der Baubürgermeister bekräftigt: „Es ist … von Vorteil, dass mit dem Ergebnis des Verfahrens der Vonovia, die unbestritten geltenden städtebaulichen Vorgaben für die Grenzen des Wettbewerbs, nämlich die Durchbindung von Rähnitzgasse und Kasernenstraße anzunehmen und zu berücksichtigen, konkretisiert werden.“ Nun sollen die Architekturbüros untersuchen, wie die Durchgänge „mittels Vergrößerung innerhalb der Bestandsbebauung und baulicher Fassung prägnanter ausgebildet werden können.“

In der Politik wird diese Herangehensweise indes kritisch gesehen. „Für den Durchbruch zur Rähnitzgasse gibt es eine klare Notwendigkeit, das Barockviertel wird so wesentlich attraktiver angebunden“, sagt Thomas Löser, baupolitischer Sprecher der Stadtrats-Grünen. Für die betroffenen Mieter, die ihre Wohnung verlieren, müsse die Vonovia versuchen, Alternativen aus ihrem Bestand zu gleichen Konditionen anbieten. „Ganz anders aber sieht es auf der östlichen Seite des Neustädter Marktes aus“, sagt Löser. Hinter den Plattenbauten gebe es derzeit nichts, was man zeigen müsse. „Es sind weitgehend ungeordnete Flächen mit Parkplätzen und Anlieferungszonen für die Läden. Auch der Kindergarten würde einem Bau der Kasernenstraße wie die Hochhäuser an der Sarrasanistraße voll im Wege stehen“, sagt der Grünen-Politiker. Eine ähnliche Meinung vertritt auch Gunter Thiele von der CDU. „Der Durchbruch auf östlicher Seite ist momentan nicht sinnvoll, weil die Kasernenstraße jetzt nicht gebaut werden kann“, sagt der baupolitische Sprecher seiner Fraktion. Diese Option könne man sich für die Zukunft offenhalten, doch solange die Wohnhäuser an der Sarrasanistraße so gut angenommen werden, stünden diese nicht zur Disposition, sagt Thiele. Er würde gern erst mal sehen, wie die architektonische Gestaltung mit einem Durchbruch aussieht. „Die Ästhetik spielt da auch eine Rolle.“ Ohnehin werde der Stadtrat einbezogen, wenn es um die Aufgabenstellung des Wettbewerbs zur Neugestaltung des Königsufers/Neustädter Marktes geht, sagt Grünen-Politiker Löser. „Dabei müssen wir über die Durchbrüche der Plattenbauten noch einmal sprechen.“

Die Stadt möchte die Dokumentation zur ersten Bürgerwerkstatt noch in diesem Jahr veröffentlichen. Jessica Dauth hofft, dass ihre Anregungen zur Sanierung enthalten sind. „Dass die Vonovia endlich was an unseren Häusern machen will, finden wir gut, solange es keine Luxussanierung wird“, sagt sie. „Vor allem der Platz mit dem kaputten Brunnen sollte endlich mit Grün und Bänken aufgewertet werden.“

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