Arzttermin für die Frauenkirche

Sächsische Zeitung vom 09.05.2017, von Lars Kühl

Erstmals ist das wiederaufgebaute Barockwerk wieder eingerüstet. Schuld sind Salze im 290 Jahre alten Sandstein.

Die Frauenkirche wird grün. Hellgrün, um genau zu sein. So zumindest werden „Kompressen“ aussehen, die den Choranbau des Gotteshauses bald 1,5 Zentimeter dick bandagieren. Das Barockwerk als Patient? Ein Scherz oder gar neues Kunstwerk am Neumarkt? Keineswegs. Denn Dresdens Vorzeigekirche muss in den kommenden Wochen „verarztet“ werden.

Schuld sind sogenannte Ausblühungen in luftiger Höhe zwischen 23 und 26 Metern, erklärt Thomas Gottschlich, Leiter der Arbeiten. Deshalb wurde die Frauenkirche erstmals nach dem Abschluss des Wiederaufbaus ihrer Außenhülle vor 13 Jahren wieder eingerüstet. Neun miteinander verbundene Türme wuchsen dazu seit Mitte April in Sieben-Tagesschichten an der Fassade nach oben. Allerdings nur zwischen den Eingängen A und G im Osten. Dort steht das größte, zusammenhängende Ruinenteil, welches die Zerstörung im Februar 1945 überstanden hat: original aus der Anfangsbauzeit ab 1726 unter George Bähr. Der Sandstein aus dem Postaer Bruch ist aber angegriffen. Von Salzionen.

Die „wandern“ durch die Witterungseinflüsse nach außen und bilden die Verkrustungen an der Fassade in Höhe des Hauptgesimses. Im Extremfall könnten dadurch kleine Stücke abplatzen, berichtet Gottschlich. Das schädigt nicht nur den Sandstein langfristig, sondern könnte auch für die Neumarkt-Flanierer darunter gefährlich werden.

Neu ist die Erkenntnis nicht, bereits 2013 waren die Ausblühungen festgestellt worden. Verfugungen lösten sich zudem. Nun wird das überschüssige Salz also in den kommenden Wochen entfernt. Das ist ein komplizierter, aufwendiger Prozess, für den Außentemperaturen von mehr als zehn Grad Celsius nötig sind. Zunächst werden die Stellen ab dieser Woche auf einer Fläche von rund 70 Quadratmetern akribisch gereinigt, erklärt Dana Krause von der beauftragten Restauratorengesellschaft. Erst trocken, danach feucht.

Krause ist Expertin. Bereits vor 17 Jahren hat sie Arbeiten an gleicher Stelle begleitet, als der alte Choranbau bei der Rekonstruktion eingebunden wurde. Nach der Säuberung wird das physikalische Diffusionsprinzip angewandt. „Zellstoff und Tonmineralien werden mit destilliertem Wasser zu einer Masse gemischt, die auf den Stein aufgetragen wird“, sagt Krause. Die Paste härtet in zwei bis drei Wochen aus und verwandelt sich so in Kompressen – mit hellgrüner Farbe.

Damit starker Regen sie nicht wieder abwaschen, wird davor eine perforierte Folie zum Schutz aufgehängt. Die Salzionen aus dem 290 Jahre alten Stein sollen von den Kompressen aufgenommen werden und in ihnen kristallisieren. Anschließend klopfen und bürsten die Restauratoren sie wieder ab. Danach werden Proben im Labor untersucht und mit welchen aus der originalen Bauzeit verglichen. Möglich, dass die ganze Prozedur bis zu zwei weitere Male wiederholt werden muss.

Deshalb kann Christine Kageneck, die kaufmännische Leiterin der Frauenkirchen-Stiftung, nicht endgültig bestätigen, dass die eingeplanten 85 000 Euro für die Entsalzung reichen. Das Geld wird außerdem eingesetzt, um abgeplatzte Stellen zu reparieren, lockere Sandsteinteile zu befestigen oder Fugen zu erneuern. Wie lange das große Gerüst stehen wird, kann Bauleiter Gottschlich noch nicht sagen. Mindestens bis Juni. Er geht eher von einem Monat länger aus. Für die Frauenkirchenbesucher gibt es durch die Arbeiten allerdings keinerlei Einschränkungen.

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Foto: Siegmar Baumgärtel