Baywobau-Chef Berndt Dietze: Mit 80 ist Schluss. Vielleicht.

Dresdner Neueste Nachrichten vom 12.8.2020

Die Leserinnen und Leser der DNN haben die zehn Dresdner des Jahrzehnts gekürt. Berndt Dietze ist einer davon. Der 77-Jährige hat das Bild von Dresden geprägt. Der Neumarkt ist Teil seines Lebenswerks. Jetzt plant er die nächsten Projekte.

Dresden, sagt Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP), brauche Projektentwickler, die die Stadt verstehen und nicht müde werden, sich zu engagieren. „Es ist unglaublich, mit welcher Energie Berndt Dietze für seine Projekte brennt. Ohne seine Energieleistung wären wir am Neumarkt nicht so weit, wie wir jetzt sind. Das gilt für viele andere Stellen in der Stadt, wenn ich nur an das Lahmann-Sanatorium denke.“

Tilo Wirtz, Bauexperte der Linken im Stadtrat, lobt den Bauunternehmer und Dresdner des Jahrzehnts: „Anders als viele Projektentwickler in Dresden hat Berndt Dietze seine Projekte eben nicht nur mit dem Taschenrechner des kühlen wirtschaftlichen Kalkulators, sondern auch mit viel Herz für die Stadt vorangetrieben.“ Dietze habe oft Schwierigkeiten und Widerstände überwinden müssen. „Geduld, Beharrlichkeit, viel Idealismus, Begeisterung und die Suche nach Verbindendem sind dabei seine Werkzeuge.“

„Seine Hartnäckigkeit ist inspirierend“

Unglaubliche Verdienste für diese Stadt habe Berndt Dietze, sagt Torsten Kulke, Vorstandsvorsitzender der Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden (GHND). „Ein Bauträger muss immer auch in wirtschaftlichen Kategorien denken. Aber er ist auch auf die Wünsche der Bürger eingegangen und hat etwas erreicht, das sich sehen lassen kann.“

Berndt Dietze habe immer den Anspruch, dieser Stadt etwas Bleibendes zu geben, sagt Mario Schmidt, Bauexperte der CDU im Stadtrat. „Seine Hartnäckigkeit ist inspirierend. Wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat, bleibt er so lange dran, bis er es umsetzen kann.“ Was Dietze realisiere, besitze stets einen Gestaltungsanspruch, fügt Schmidt an.

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„Bis zu meinem 80. Geburtstag bleibe ich Geschäftsführer“, sagt er jetzt. Das ist mal eine klare Ansage.

Vielleicht war Berndt Dietze der Lebensweg schon vorbestimmt, als seine Mutter ihrem Sohn ein kleines „t“ mit auf den Weg gab. Nicht Bernd, sondern Berndt hieß das Kind – „Meine Mutter liebte, wie ich jetzt, eben das Besondere“, erklärt der Inhaber die ungewöhnliche Schreibweise seines Vornamens. Auf Bildung hätten seine Eltern sehr viel Wert gelegt im kleinbürgerlichen Milieu am Dresdner Stadtrand im Schönfelder Hochland. Und auf harte Arbeit.

Karriere ohne Parteiabzeichen

Der Vater hatte einen kleinen Baubetrieb, in dem der junge Berndt Dietze mit zupacken musste. Und wenn die Jungs eine Mauer an der falschen Stelle gebaut hatten, dann riss der Vater das Bauwerk kurz und schmerzlos wieder ein. Sonnabend hin, Sonnabend her. Bis in den späten Abend wurde die Mauer am richtigen Platz wieder aufgebaut. Aus dem Tanzvergnügen wurde nichts. Die Mädchen warteten vergebens.

„Das hat mich geprägt“, sagt Dietze, der nach dem Abitur an der damaligen EOS Martin-Andersen-Nexö eine Tischlerlehre absolvierte, später Holztechnik, Maschinenbau und Datenverarbeitung studierte. Er landete beim VEB Kraftfahrzeug-Zubehörwerke Dresden und legte eine Karriere ohne Parteiabzeichen hin. „Ich habe Glück gehabt“, sagt er über die Jahre im Arbeiter- und Bauernstaat, der die Altbausubstanz verfallen ließ und dafür Plattenbauten auf die grüne Wiese setzte. „Darunter habe ich gelitten wie ein Hund. Dieser Verfall hat mich beschäftigt, davon habe ich nachts geträumt.“

Ob das Lahmann-Sanatorium oder die Bäder-Villen an der Ostsee in Heiligendamm, mit Baudenkmalen konnte die DDR wenig anfangen. Es kam die Wende und der Moment, der das Gesicht von Dresden prägen sollte: „Ich habe 1991 eine Anzeige in der Zeitung gelesen, dass ein Bauträger einen Geschäftsführer für seine Dresdner Niederlassung sucht.“ Dietze bewarb sich und wurde gemeinsam mit Steffen Hanschmann engagiert. „Er hat den technischen Bereich aufgebaut und realisiert heute in Berlin große Projekte. Ich habe mich um das Thema Wohnen gekümmert.“

Die Baywobau hat es in Dresden immer geschafft, die Nischen zu besetzen. Am Anfang waren es die Industriebrachen, die der Bauträger belebte. Und die gab es reichlich in einer Stadt, die sich auf ein neues Wirtschaftssystem einstellen musste. „Wir sind nicht nach Bannewitz oder Possendorf auf die grüne Wiese gegangen, wir haben die Stadt gestaltet“, sagt Dietze über die Anfangszeit.

Der Neumarkt – das Lebenswerk von Dietze

Mit Volker Hofmann, dem Vorstand der Baywobau Bauträger AG in München – „Er hatte und hat ein großes Herz für den Osten“ – habe er einen Befürworter gefunden, der auch bereit gewesen sei, kalkulierte Risiken einzugehen. „Ich hatte immer Glück mit den Menschen, mit denen ich zusammengearbeitet habe.“ Ob Klaus Fiebiger, mit dem er die Neumarkt-Bebauung geplant hat, oder später sein leitender Mitarbeiter Hans Chlubek – „Das passte menschlich, da stimmte die Chemie.“

Der Neumarkt – das ist das Lebenswerk von Dietze. Mit dem Bau der Tiefgarage ab 2002 gab er die Initialzündung und schaffte erst die Voraussetzungen für einen historischen Wiederaufbau. „Diese Tiefgarage hat eine Verteilerfunktion für den ganzen Neumarkt. Man stelle ich nur vor, wie die Gebäude mit vielen einzelnen Tiefgarageneinfahrten aussehen würden“, sagt der Stratege.

„Hotel Stadt Rom“: Baywobau gehört zu den Interessenten

Mit dem Quartier „Schloßeck“ setzt Dietze jetzt einen vorläufigen Schlusspunkt unter die Neumarkt-Bebauung. Vorläufig deshalb, weil da ja noch das „Hotel Stadt Rom“ entstehen könnte, wenn denn der Stadtrat es will. Die Debatte über den Bebauungsplan wird im Herbst geführt und die Baywobau gehört zu den Interessenten. Der Kreis könnte sich schließen.

So wie sich auch thematisch der Kreis für Dietze schließt – er befasst sich wieder intensiv mit dem Thema Wohnen. „Wir müssen uns auf eine Zeit einstellen, in der die Menschen geringere finanzielle Möglichkeiten haben und sich nicht die heute notwendigen Kosten-Mieten von 12 bis 14 Euro pro Quadratmeter leisten können“, sagt der Bauexperte. „Wir müssen für Menschen bauen, die gerade einmal 7,50 Euro bezahlen können.“ Dies könne und müsse im Zusammenwirken von Freistaat, Stadt und Bauunternehmen gelingen.

Den Bau von preiswerten Eigenheimen will der Bauunternehmer auch ankurbeln. Das sei ein Beitrag zur Nachhaltigkeit. „Wer in den eigenen vier Wänden wohnt, dreht die Heizung eher zurück und achtet darauf, was er in die Mülltonne wirft.“ Mit den „Stadtgestaltern“ – einem Arbeitskreis von Bauträgern wie Jens Claus (Gamma-Immobilien), Uwe Kraft (Elbebau), Jochen Lagerein (Columbus), Thomas Dathe und Jürgen Nufer (USD) oder Frank Wießner (Max Wiessner Baugeschäft) berät sich Dietze ebenso wie mit Frank Müller, dem Vorstandsvorsitzenden des Immobilienverbandes BFW Mitteldeutschland.

Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm

„Ich meine, ich beherrsche das Prinzip, gute Politik zu machen – und das gilt auch für meinen Job. Es geht darum, Kompromisse zu finden“, sagt Dietze, der im Stadtbezirksbeirat Loschwitz quasi zum Inventar gehört, wo er seit 1991 die Farben der CDU vertritt. Sohn Matthias ist für die Christdemokraten vor einem Jahr in den Stadtrat gewählt worden – der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.

In drei Jahren feiert Dietze 80. Geburtstag, und es wird eine große Feier, so viel steht fest. Und es ist durchaus möglich, dass der Schlussstrich noch einmal verschoben werden muss. Weil das nächste Projekt schon wartet.

Von Thomas Baumann-Hartwig

 

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