Sächsische Zeitung vom 21.02.2019
Die Familie des Nobelpreisträgers hat sich von dem Dresdner Bauprojekt getrennt. Unklar ist, wie es jetzt weitergeht.
Von Sandro Rahrisch
Bis zu seinem Tod vor einem Jahr wusste Nobelpreisträger Günter Blobel immer, was in Dresden vor sich ging. Obwohl er in New York lebe, sehe er den Rohbau seines Neumarkt-Kaufhauses klar vor sich, ließ er Architekten und Handwerker wissen, als diese Richtfest feierten. Inzwischen ist das „Au petit bazar“, das kleine Kaufhaus, fast fertig. Mit der Familie Blobel hat es aber nicht mehr allzu viel zu tun.
Mittlerweile sind die Blobels nicht mehr Bauherren des Eckhauses, wie die Stadtverwaltung bestätigt. Nach dem Tod des Dresden-Liebhabers, der einen beträchtlichen Teil seines Preisgeldes für den Wiederaufbau der Frauenkirche gespendet hatte, lag die Verantwortung für das Projekt plötzlich bei seiner Witwe Laura Maioglio. Sie ließ über eine Hamburger Anwaltskanzlei die Blobel-Haus Dresden Projektgesellschaft gründen. Diese sollte die Erbin bei der Fertigstellung des Gebäudes unterstützen. Blobel-Freund und Architekt Michael Kaiser durfte weiterhin die baulichen Geschicke in Dresden lenken.
Doch inzwischen hat die Hamburger Kanzlei die Immobilie offenbar veräußert. „Wir haben nichts mehr damit zu tun“, sagte eine Mitarbeiterin am Dienstag der Sächsischen Zeitung. Wer der neue Eigentümer ist, dürfe sie nicht sagen. Auch die Dresdner Stadtverwaltung schweigt mit dem Verweis auf den Datenschutz.
Fest steht, dass der neue Besitzer – gerüchteweise ist von einem Berliner die Rede – die Karten neu gemischt hat. So ist Michael Kaiser von der Baustelle geworfen worden. „Ich weiß nicht, was der neue Eigentümer vor hat“, sagt Kaiser. Er wolle abwarten, vielleicht werde er doch wieder engagiert. Äußerlich sei das Haus so gut wie fertig. Nur die sechs Frauen-Figuren an der Erdgeschoss-Fassade fehlten noch.
Im Inneren ist in den letzten Tagen noch gearbeitet worden. Kaiser vermutet, dass dort Umbauten stattfinden könnten. Als Blobel Bauherr war, sollte eine Galerie für zeitgenössische Kunst ins Erdgeschoss ziehen. „Ich hoffe, dass das immer noch der Plan ist“, so Kaiser. Er sei sich sicher, dass der neue Eigentümer weiß, um welch prominentes Gebäude es sich handle. Auf drei Etagen waren Wohnungen geplant. Die Bauaufsichtsbehörde weiß bislang nichts von einem offiziellen Bauende, so die Stadt.
Im Zweiten Weltkrieg war das kleine Neumarkt-Kaufhaus zerstört worden. Für Ballkleider war es in Dresden eine der besten Adressen. Die mit Markisen überspannte Schaufensterfront galt Mitte des 19. Jahrhunderts als hochmodern.