Bürger sollen Neumarkt-Bau verhindern

Die Gesellschaft Historischer Neumarkt kritisiert Moritzhaus-Entwurf am Kulturpalast. Helfen soll eine Umfrage.

Von Lars Kühl

SZ vom 21.10.2016

Hartnäckig hält sich ihr Widerstand. Die Gesellschaft Historischer Neumarkt will das Moritzhaus an der Galerie-/Frauenstraße unbedingt verhindern. Zumindest, wenn der Investor, die KIB-Gruppe aus Nürnberg, seinen finalen Entwurf nicht überarbeitet. Ein rechtliches Druckmittel haben die Neumarkt-Wächter zwar nicht – die Baugenehmigung ist seit Juni da, und im Frühjahr sollen die Bagger anrollen –, aber mithilfe der Bürger wollen sie den Bauherrn zum Umdenken bewegen.

Ab Montag führen Mitglieder der Gesellschaft am künftigen Bauort neben dem Kulturpalast und in ihrem Informationspavillon am Pirnaischen Platz zwei Wochen lang eine Befragung durch. Die Teilnehmer haben drei Entwürfe zur Auswahl und sollen sich für ihren Favoriten entscheiden. Bereits vor fünf Jahren gab es eine solche Umfrage. Damals machten über 1 700 Menschen mit, erklärt Vorsitzender Torsten Kulke. Ihr eindeutiges Votum: Nichts Modernes, kein Staffeldach, kleinteilig. Genau das sind auch die Forderungen der Gesellschaft an das Bauvorhaben.

Die KIB-Gruppe hat zwar in der Zwischenzeit nachgebessert, nach Meinung des Neumarkt-Vereins aber nicht genug. „Wir sind der Auffassung, dass man noch mal darüber diskutieren muss“, sagt Kulke. Das Wohn- und Geschäftshaus sei eine Mogelpackung. Vor der Zerstörung gab es vier Parzellen, die wurden jetzt zusammengelegt und bekommen außen eine Scheinfassade. Besonders störend sei das Staffeldach vis-à-vis des aufwendig rekonstruierten Köhlerschen Hauses. Auch die anderen angeschrägten Dächer sind obenauf flach. Für die Gesellschaft ein No-Go, das besonders von der Frauenkirche beim Herabblicken störend auffallen würde.

Laut Gestaltungssatzung für den Neumarkt wäre das Staffelgeschoss, was die Gesellschaft unbedingt verhindern will, gar nicht zulässig. Allerdings ist der Entwurf sowohl von der Gestaltungskommission als auch von der Bauaufsicht genehmigt worden. Das Stadtplanungsamt hat sogar eine Anpassung an den benachbarten Kulturpalast, der vom Baustil her als Solitär heraussticht, gefordert. Alles zusammen ärgert Kulke, er wirft der Verwaltung „Ignoranz gegenüber Bürgermeinungen“ vor. Das „führt zu weiterer Politikverdrossenheit“.

Deshalb der eindringliche Appell der Neumarkt-Bewahrer an die Entscheider, die Planung nochmals zu ändern. Es gebe auch die Option, das Grundstück wieder zu verkaufen. Für die KIB-Gruppe kam das bis zuletzt aber nicht infrage. Neu ist allerdings, dass die Gesellschaft inzwischen angeblich Interessenten für das Objekt hat. Der Verein hat zudem eine Podiumsdiskussion organisiert, zu der er neben den Geschäftsführern des Investors auch Baubürgermeister Raoul Schmidt-Lamontain (Grüne) sowie die baupolitischen Sprecher der Stadtratsfraktionen eingeladen hat.

Hoffnung haben Kulke und seine Mitstreiter noch. Der Vereinsvorsitzende hat am vergangenen Wochenende selbst erlebt, was hartnäckiger Bürgerprotest bewirken kann. Kulke war in Frankfurt/Main beim Richtfest für das Dom-Römer-Projekt in der dortigen Altstadt. Dabei werden seit 2012 auf einem rund 7 000 Quadratmeter großen Grundstück 35 Gebäude neu gebaut. Darunter 15 Rekonstruktionen von Altstadthäusern, die im Zweiten Weltkrieg oder danach zerstört worden waren. Bürgermeister Peter Feldmann, einst Gegner, heute Befürworter, führte die Gäste mit Begeisterung durch das entstehende Historienviertel. „Zustände, von denen wir in Dresden nur träumen können“, kann sich Kulke eine Spitze nicht verkneifen.

Die Hessen rechnen durch die „Neue Frankfurter Altstadt“ mit einem Plus von einer Million Touristen. Dass auch der Neumarkt die Gäste aus aller Welt anlockt, ist unstrittig. Für die Gesellschaft funktioniert das auf lange Sicht am besten, wenn alles als Ensemble harmonisch zusammenpasst. Das Moritzhaus gehört für sie nicht dazu.

Podiumsdiskussion „Wie weiter am Neumarkt/Neustädter Markt?, 17. November, 18.30 Uhr, Festsaal Landhaus

3 Abbildungen
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Zwischen diesen drei Varianten sollen sich die Befragten entscheiden:
Der Investor will auf der Ostseite des Moritzhauses ein Staffelgeschoss bauen. © KIB-Gruppe

 

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Modern, aber kleinteilig und mit Schrägdächern ist der Schwarz-Weiß-Entwurf.
© Friends of Dresden/Arte4D/GHND

 

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Historisch rekonstruiert sieht es die dritte Möglichkeit vor.
© GHND e.V

 

Umfrage Entwürfe PDF (Unterschriftenlisten zum Download)