Die Carolabrücke in Dresden steht vor dem Komplettabriss, nachdem ein Gutachten des Brückenbauexperten Professor Steffen Marx die Ergebnisse zu den Schäden auch an den Brückenzügen A und B präsentiert hat. Die materialtechnischen Untersuchungen zeigen auf, dass die beiden Überbauzüge in vergleichbarem Maße durch Schäden infolge von Spannungsrisskorrosion betroffen sind wie der eingestürzte Überbauzug C. Eine Wiederinbetriebnahme für den Verkehr sei aufgrund der bereits eingetretenen Rissbildung auch temporär nicht zu verantworten. Das Risiko eines schlagartigen Versagens ohne Vorankündigung wäre zu hoch. Das Bauwerk darf bis zum kontrollierten Rückbau keinen vermeidbaren Lastwechseln ausgesetzt werden, so Marx.
Der Mitinhaber eines Ingenieurbüros und Professor an der Technischen Universität Dresden hat im Auftrag der Stadt die Ursachen für den Einsturz von Brückenzug C am 11. September 2024 erforscht und eine Einschätzung für die Züge A und B erarbeitet. Die Kernaussage des Gutachtens lautet: „Die vorliegenden Zwischenergebnisse deuten darauf hin, dass wasserstoffinduzierte Spannungsrisskorrosion die Hauptursache für das Versagen ist.“ Das Schadensbild würde darauf hindeuten, dass die Rostschäden schon während der Bauphase zwischen 1969 und 1971 entstanden seien und ein wesentlicher Teil der Spanndrähte bereits über einen längeren Zeitraum nicht mehr zur Tragfähigkeit des Bauwerks beigetragen habe.
Die Analyse zeigt, dass eine Überlastung des Querträgers letztlich zum Einsturz führte. Lange Zeit habe die Lastumkehr auf die Querverbindung der drei Brückenzüge den Ausfall der Spanndrähte kompensiert und einen Einsturz verhindert. „Eine Kombination aus besonderer Temperaturbeanspruchung und Verkehrslast führte vermutlich zu den entscheidenden Spanndrahtbrüchen, folglich zur weiteren Lastumlagerung und somit zur Überlastung der Querträgerverbindung in den Morgenstunden des 11. Septembers 2024. Im Moment des Versagens des Querträgers war der Stützquerschnitt nicht mehr in der Lage, die entstehende Beanspruchung aufzunehmen“, beschreibt Marx die letzten Minuten von Brückenzug C vor dem Einsturz.
Zugleich bescheinigt das Gutachten der Stadtverwaltung einen gewissenhaften Umgang mit der Carolabrücke, Bauwerksprüfungen seien regelmäßig nach den geltenden Normen durchgeführt worden, auch spezifische Sonderuntersuchungen habe die Stadt regelmäßig veranlasst. „Eine umfassende Aktenlage belegt, dass das Bauwerk innerhalb der geltenden Regelwerke bewertet und betrieben wurde. Ein nachlässiger Umgang ist nicht erkennbar“, heißt es in dem Gutachten. Eine verlässliche Vorhersage des Einsturzes sei mit den üblichen Methoden nicht möglich gewesen, stellte der Gutachter fest.
Baubürgermeister Stephan Kühn (Grüne): „Damit die Elbe wieder befahrbar wird, treiben wir den Abriss von Zug C weiter voran“. Ziel sei es, bis Jahresende die Schifffahrtsrinne zu beräumen. Bis Ende dieser Woche werde ein akustisches Überwachungssystem an den Brückenzügen A und B so ausgeweitet, sodass Schiffe die noch stehenden Brückenzüge sicher unterfahren könnten. Die Stadtverwaltung plant jetzt einen Ersatzneubau. Anfang 2025 soll dem Stadtrat eine Vorlage zum weiteren Vorgehen vorgelegt werden. Auch eine Öffentlichkeitsbeiteiligung werde stattfinden, so ein Stadtsprecher. Das Gutachten wurde am 11. Dezember auf einer öffentlichen Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung, Bau, Liegenschaften und Verkehr vorgestellt.
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