Vom Entwurf bis zum fertigen Haus ist es ein langer Weg. Und bisweilen sieht das Ergebnis so aus wie versprochen.
SZ vom 23.08.2016
Von Lars Kühl
Gebe es eine Show, die man stehlen könnte, wäre das „British Hotel“ ein Dieb. Das ursprüngliche Palais Beichlingen, 1715 erbauter Barock-Hingucker, steht heute wieder auf der Landhausstraße. Zwischen 2008 und 2010 wurde das Gebäude am Neumarkt so originalgetreu rekonstruiert, dass es oft als Vorzeigebeispiel herhalten muss. Immer dann, wenn Menschen mit einem Faible für den historischen Wiederaufbau anderen zeigen wollen, wie es gehen kann. Neben dem Blickfang haben es die Nachbargebäude wirklich schwer.
Und doch stimmt dort das Ensemble, der Straßenzug, und damit das Erscheinungsbild. Erst recht, seit das „Frieseneck“ an der Ostseite des „British Hotel“ hochgewachsen und nun fast fertig ist. Kein originaler Wiederaufbau, denn nur das direkte Nachbargebäude trägt auf der Fassade historisierende Züge. Dafür ist der Wohn- und Geschäftskomplex aus mehreren Häusern zeitgemäß und für den Bauherren „Architektur nach barockem Vorbild“.
So wie das „Frieseneck“ jetzt aussieht, wurde es von der Firma MMZ Real Estate GmbH versprochen, nachdem das Projekt vorab mit der Gestaltungskommission und der Gesellschaft Historischer Neumarkt diskutiert worden war. Gebäudehülle, Dachform und Fassadenfarbe sehen in der Realität aus wie auf der Visualisierung. Doch nicht immer ist das in Dresden der Fall. Was der Architekt entwirft, wird von einigen Bauherren letztendlich nicht 1:1 umgesetzt, meist aus Kostengründen. Beim „Frieseneck“ darf der Beobachter allerdings zufrieden einen Haken dranmachen.
Das sieht auch Michael Kimmerle so. Der Unternehmer lässt am Neumarkt das Quartier Jüdenhof errichten. Das Dinglingerhaus, als einer der beiden Leitbauten, ist bereits abgerüstet und wird als herausragende Barockrekonstruktion gepriesen. Was vom anderen, dem Trierschen Haus, zu sehen ist, lässt die Wiederaufbaufreunde ebenfalls frohlocken. Überhaupt scheint der Vierseithof genau so zu werden, wie er auf dem Papier entworfen wurde. Dazu zählt auch der Eckbau zur Rosmaringasse hin, gegenüber vom Kulturpalast – hypermodern, heiß diskutiert, von Kimmerle so nicht gewollt, von der Gestaltungskommission aber vorgeschrieben. Kimmerle ist die Umsetzung ohne Abstriche wichtig, dies hat er so am „Frieseneck“ festgestellt.
Und selbst zeigt der Schwabe noch ein Beispiel, wo er sich penibel am Entwurf festgehalten hat: an der Mosenstraße/Ecke Holbeinstraße in Striesen. Auf den ersten Blick finden sich bei dem Wohnhaus zwischen Visualisierung und fertigem Gebäude keine gravierenden Unterschiede. Beim zweiten Hinsehen fallen die Balkongeländer auf. „Das hat uns sehr geärgert“, sagt Kimmerle. „Leider hat uns diese Ausführung jedoch das Bauamt versagt, da dieses Geländer eine Leiterwirkung hätte.“ Selbst ein geschmiedetes Probegitter mit einer Glasscheibe auf der Balkoninnenseite wurde von der Behörde abgelehnt. Großen Wert auf eine klassische Ausführung haben das Architekturbüro Käßner und die Wacker & Mattner GmbH bei ihrer Wohnanlage in der Geblerstraße in Trachau gelegt. Was die Entwürfe vorgegeben hatten, wurde gebaut – angelehnt an die historischen Häuser in der Nachbarschaft.
Das Ensemble hebt sich ab – vom grau-weißen Einheitsstil, der an vielen Ecken in Dresden inzwischen dominiert.
Foto: Mit dem „Frieseneck“ ist das Ensemble mit dem „British Hotel“ in der Landhausstraße gelungen – auf dem Entwurf und in der Realität.
© MMZ Real Estate GmbH