Der Henry Hope Reed Award 2018 wird Torsten Kulke, Vorsitzender der Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden (GHND), für seine hervorragende Leitung beim schwierigen Wiederaufbau des zerstörten Neumarkts verliehen.
Seit der Gründung der GHND im Jahre 1999 ermöglichte die ausgezeichnete Führung der Gesellschaft durch Herrn Kulke das konstante Anwachsen der politischen Unterstützung, um die umfangreiche Sanierung des Neumarkts gegen den systematischen Widerstand des Architektur-Establishments professionell zu leiten. Unter seiner starken und inspirierten Führung konnte die Gesellschaft 63.338 Unterschriften der Dresdener Bürger für ein „Ja zum Historischen Neumarkt“ sammeln, eine grundlegende bürgliche Tat, die die Sanierung der historischen Altstadt Dresden bis zum heutigen Tage weiter inspiriert und legitimiert.
Rein durch private Investitionen, ohne staatliche oder kommunale Zuschüsse umfasst die Initiative den Wiederaufbau von mehr als 70 Gebäuden auf bestehenden Fundamenten in der traditionellen Block- und Grundstücksform mit unterschiedlichen Stockwerken und was noch wichtiger ist, mit traditioneller Architektur, Dachfirsten, Materialien, Verzierungen und Farben.
Die Sanierung des Historischen Neumarkts von Dresden in den vergangenen zwei Jahrzehnten ist eine außergewöhnliche Leistung, die in der ganzen Welt Erstaunen und Freude ausgelöst hat. Dieser Ergeiz ist in Deutschland, ja in der Welt, geradezu einzigartig, das verlorengegangene Herz einer Stadt, die vor vielen Jahrzehnten durch den Krieg zerstört worden war, wieder zum Leben zu erwecken. Man hofft, dass diese Ehrung die Autorität von Herrn Kulke und der GHND stärken und weitere Sanierungsprojekte und neue traditionelle Architektur in und um Dresden anregen wird. Wie auch ähnliche bemerkenswerte Initiativen, die bereits in Berlin, Frankfurt am Main und Potsdam im Gange sind.
Persönliche Stellungnahme zur Preisverleihung des Henry Hope Award 2018
Von Torsten Kulke
Ich danke der Jury der School of Architecture an der University of Notre Dame du Lac sowie dem Richard H. Driehaus Charitable Lead Trust, den Henry Hope Reed Award 2018 an mich für meine langjährige ehrenamtliche Tätigkeit als Vorsitzenden der Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden e.V. (GHND) zu verleihen. Die genannte Hochschule ist eine renommierte Privatuniversität im US-Bundesstaat Indiana und verleiht den Reed-Preis an Personen, „die außerhalb der Architekturprofession arbeiten und die Kultivierung der traditionellen Stadt sowie ihrer Architektur und Kunst unterstützt haben“. Der Preis wird damit erstmals überhaupt nach Europa gehen. Ich werde den Preis annehmen und freue mich auf die feierliche Übergabe Ende März in Chicago.
Der Preis wird zwar mir als Person verliehen; zum erfolgreichen Wiederaufbau des Neumarkts haben aber viele beigetragen. Dies betone ich ausdrücklich und denke dabei vor allem an die ehemaligen und derzeitigen Vorstände, an besonders aktive Mitglieder, an Spender und nicht zuletzt an meine Familie, die mir auch in schwierigen Zeiten Beistand geleistet hat.
Die gemeinschaftliche Arbeit überschauend erinnere ich an Folgendes. Es war anfangs überhaupt nicht sicher, dass der Dresdner Neumarkt in seinem heutigen Erscheinungsbild wiederaufgebaut wird. Das erste wiederaufgebaute Gebäude, das für damalige Vorstellungen steht, das als Vorbild dienen sollte, ist der Funktionsanbau an das Coselpalais, genannt Neues Palais. Wenn es nach dem Willen einzelner – aber einflussreicher – Fachleute aus der Denkmalpflege und Architektenschaft gegangen wäre, wären nur 15 Leitbauten am Dresdner Neumarkt entstanden. Die restlichen ehemaligen 115 Parzellen wären mit modernen Bauten im Stil des Anbaus des Coselpalais durchgesetzt worden. Dafür steht auch ein von der Stadtverwaltung durchgeführtes „Neumarkt-Atelier 2000“ und die versuchte Durchsetzung eines Gewandhauses als maßstabsloser Großbau mitten im Herzen des Areals und als Gegenüber zur wiedererstandenen Frauenkirche. Bürgerproteste konnten dies in letzter Minute verhindern.
Bis heute wird um die Gestaltung jedes einzelnen Gebäudes mit der Stadtplanung und der Gestaltungskommission Neumarkt gerungen. Bis heute konnte sich leider die politische Führung des Rathauses nicht wirklich ernsthaft zu einer eindeutigen Unterstützung des für die Dresdner Bürger nach dem Kriegsverlust ihrer Stadt so wichtigen Identifikationsortes durchringen.
Mein heutiger Dank gilt daher vor allem den fast 80.000, davon 63.338 Dresdner Bürgern, welche 2002/2003 „Ja. Zum Historischen Neumarkt“ gesagt und mir und der GHND damit das notwendige Mandat für unser Tun erteilt haben. Mit ihrer Unterschrift haben sie den politischen Willen bekräftigt, dass das Vorhaben so umzusetzen ist, wie es schon 1995 durch einige Architekten der Architektenkammer Sachsen für eine Gestaltungssatzung vorgeschlagen worden war und es heute nun auch baulich fast umgesetzt worden ist.
Diese Artikulation des politischen Willens von Dresdnern war aus heutiger Sicht enorm wichtig und hat mir und der GHND den notwendigen Rückhalt verschafft.
Mein Dank gilt auch dem Dresdner Stadtrat, der so manche Entscheidung gegen den erklärten Willen der Dresdner Stadtverwaltung getroffen hat und damit dem Ruf der 63.338 Dresdner Bürger entsprochen hat.
Ebenso gilt mein Dank denjenigen Investoren, die trotz wirtschaftlichen Drucks Qualität im Hochbau wie auch in der später folgenden Nutzung umgesetzt haben. Die Stadt Dresden hat bis auf den Tief- und Straßenbau der Platzanlage selbst bisher kein Geld für Hochbaumaßnahmen ausgegeben; ihre Aktivitäten beschränkten sich vielmehr auf eine möglichst effektive Verwertung der Grundstücke, die bisher in städtischer Hand lagen. Hier hätte man sich an der einen oder anderen Stelle auch eine direkte Investition in eine Rekonstruktion durch die Stadt selbst gewünscht, zumal der Dresdner Neumarkt eine große Bedeutung für den Tourismus darstellt und als weicher Standortfaktor für die Wirtschaft nicht ohne Bedeutung ist.
Ich verbinde die Verleihung des Preises mit der Hoffnung, dass unser von einem großen Teil der Bürgerschaft getragenes Engagement der Stadtrekonstruktion auch weiterhin über die Grenzen Dresdens ausstrahlt. Gleichfalls ist damit auch die Aufforderung an die Stadt Dresden verbunden, dass in die zeitgenössischen Planungen die Traditionssprache des europäischen Städtebaus und der Architektur wesentlich stärker als bisher Eingang finden sollen. Solange dies nicht der Fall ist, sind Rekonstruktionen von Gebäuden und/oder Stadtteilen die einzige Möglichkeit der Bürger, ihrem Willen nach einer menschlicheren, dem jeweiligen Standort verpflichtenden Bauweise Ausdruck zu verleihen.
Mit solch einer Erkenntnis sollte uns auch der Brückenschlag über die Elbe vom Neumarkt auf den Neustädter Markt/das Königsufer gelingen.
Torsten Kulke
1. Vorstandsvorsitzender
Dresden, 19.01.2018