Sächsische Zeitung vomn 10.05.2019
Eine Studie hat erfragt, welche Architektur sich Dresdner wünschen und was sie ablehnen.
Von Kay Haufe
Die Dresdner ticken anders als vermutet: Das belegt die empirische Studie „Architektur in Dresden“, die vom Institut für Soziologie an der TU Dresden im Auftrag der Gesellschaft Historischer Neumarkt (GHND) erstellt wurde. Sie räumt beispielsweise mit dem Irrglauben auf, dass nur „echte“ Dresdner, also die hier Geborenen, die Schönheit der Stadt besonders zu schätzen wissen. Von den 964 Teilnehmern der Studie haben nur 41,6 Prozent in Dresden das Licht der Welt erblickt, doch fast alle bringen eine hohe Zufriedenheit mit Dresden und seiner Architektur zum Ausdruck. Und zwar nicht nur mit der historischen Bausubstanz, sondern durchaus auch mit modernen Gebäuden. So haben die Initiatoren der Studie, die Professoren Karl Rehberg und Michael Häder, ganz konkrete Gebäude mit Schulnoten von 1 bis 5 bewerten lassen. Keine Überraschung ist, dass die Frauenkirche mit 1,2 den besten Wert erzielt. Doch sowohl das Kongresszentrum als auch der Anbau am Landtag und das St. Benno-Gymnasium stehen mit den Noten 2,3 und 2,4 nicht schlecht da. Mit 2,7 liegt die Synagoge ganz hinten.
Genauso wenig zutreffend ist das oft geäußerte Vorurteil, das vor allem ältere Menschen die Rekonstruktion historischer Dresdner Gebäude befürworten. Die Zustimmung dafür ziehe sich durch alle Altersklassen und Bildungsschichten. Gleichzeitig würden moderne Bauten keineswegs vor allem von Älteren abgelehnt, stellt Rehberg fest. „Es gibt keine weit verbreitete radikale Ablehnung moderner Gebäude“, sagt er zusammenfassend. Auch der Umbau des Kulturpalastes wurde von einer großen Mehrheit der Befragten als sehr gelungen oder positiv eingeschätzt.
Im Gegensatz zur Zufriedenheit der Dresdner mit der Gestaltung ihrer Stadt, sehen sie die Stadtplanung kritisch. Die unzufriedenen Stimmen dominieren deutlich, insbesondere waren nur ganz wenige Befragte mit den städtischen Planungen sehr zufrieden, ist ein Fazit der Studie.
Wasser auf die Mühlen der GHND war die große Zustimmung zum Neumarkt-Umbau. Rund 330 Personen schätzen ihn als sehr gelungen ein, weitere rund 370 als gelungen. Zudem stellten über 800 Befragte klar, dass sich nicht nur Touristen auf dem Platz aufhalten, sondern er genauso von den Dresdnern geschätzt wird, die sich dort in Restaurants treffen.
Obwohl die Befragung schon im vorigen Sommer stattfand, wollte die GHND die geplante Bebauung am Königsufer in die Studie mit einbeziehen. Damals war das Wettbewerbsverfahren noch nicht abgeschlossen. Überraschendes Ergebnis der Befragung: Die Hälfte der Teilnehmer möchte keine Bebauung am Königsufer, weitere rund 350 Personen nur partiell. Und wenn gebaut würde, steht für rund 370 Befragte fest, dass das Königsufer kleinteilig und weitgehend nach historischem Vorbild bebaut werden soll. „Dieser Bürgerwille sollte bei der weiteren Planung dort unbedingt beachtet werden“, sagt Torsten Kulke von der GHND.
Immerhin, die Kleinteiligkeit ist im Siegerentwurf von Albers und Vogt vorgesehen. Die Grünen wollen jedoch, anders als im Entwurf, dass die beiden Grünflächen rechts und links neben dem Goldenen Reiter nicht, wie vorgesehen, bebaut, sondern sogar erweitert werden. Dies sei ein großer Wunsch aus der Bürgerbeteiligung, der aber im Entwurf nicht berücksichtigt wurde. Die Platanenreihe vor dem Café Venezia sollte sogar um eine Reihe ergänzt und die Brunnen wieder belebt werden, um den Platzcharakter als grünes Wohnzimmer zu unterstreichen, sagt Fraktionschef Thomas Löser. Denkbar wären auch Liegestühle und Ähnliches. Außerdem sollte der vorhandene Wohnungsbestand saniert werden.
„Am Neustädter Markt wohnt noch Alt und Jung, Arm und Reich zusammen, das wollen wir unbedingt erhalten“, sagt Alexander Heber von der Bürgerinititative Neustädter Freiheit. Hier gebe es viel Leben. Statt weiterer Bebauung könnte hier noch ein Park entstehen, der angesichts des Klimawandels wesentlich mehr für die Anwohner tun würde.