Narrenhäusel: „Bürger sollten mitreden“

Sächsische Zeitung vom 07.11.2019

Die Initiative Stadtbildd wirft dem Baubürgermeister mangelnde Öffentlichkeit vor. Sollen die Dresdner mitreden? Hier können Sie abstimmen.

Ein Gutachtergremium hat am 28. Oktober über drei Entwürfe für die Rekonstruktion des Narrenhäusels diskutiert, die von Investor Frank Wießner in Auftrag gegeben wurden. Nicht dabei war Baubürgermeister Raoul Schmidt-Lamontain (Grüne). Er sagte seine Teilnahme ab, weil Wießner die drei Entwürfe vorab an Medien zur Veröffentlichung übergeben hatte. Dies könnte das Wettbewerbsverfahren beeinflussen, sagte Schmidt-Lamontain. Die Bürgerinitiative Stadtbildd kritisierte die Haltung des Bürgermeisters scharf. Weshalb, darüber sprach die SZ mit Stefan Schiller.

Der Baubürgermeister hat sein Fernbleiben begründet. Was finden Sie an seiner Entscheidung falsch?

Das Zeichen, das Herr Schmidt-Lamontain setzt, ist fatal. Einerseits propagiert er Bürgerbeteiligung und andererseits stellt er genau diese infrage. Das ist doch ein Widerspruch. Zumal Herr Wießner in dem Fall nicht regelwidrig gehandelt hat. Stattdessen wollte er als Investor die Bürger einbeziehen und ein Meinungsbild von ihnen bekommen. Das finden wir gut.

Was erwarten Sie jetzt vom Baubürgermeister?

Dass er den Weg, den er mit der vorbildlichen Bürgerbeteiligung zum Königsufer und Neustädter Markt eingeschlagen hat, konsequent weitergeht. Die Bürgerschaft sollte Teil der Entscheidungsfindung sein. Alles andere wäre ein Lippenbekenntnis.

Immerhin ist Herr Schmidt-Lamontain der erste Baubürgermeister, der die Bürger einbeziehen will. Das gab es so vorher nicht.

Stimmt, viele Jahre lief es anders. Da durfte kein Investorenplan infrage gestellt werden, weil es hieß, der baut dann nicht und ist verschreckt. Gerade sind wir in Dresden an einem Punkt angekommen, an dem der Beteiligungsprozess in Gang kommt. Das sieht man deutlich auch am Stadtrat. Die Räte haben lange beklagt, dass sie vom Stadtplanungsamt vor vollendete Tatsachen gestellt werden, ohne dann noch etwas ändern zu können. Doch inzwischen haben sich die Stadträte emanzipiert, lassen die Verwaltung nicht mehr gewähren, sondern hinterfragen, was ihnen vorgelegt wird. Das ist der richtige Weg, weil so auch Vertrauen beim Bürger entsteht. Und nicht nur bei dem, sondern auch zwischen den Gremien. Es muss doch darum gehen, die beste Lösung für Dresden zu finden.

Wie könnte eine gute Lösung für das Narrenhäusel gefunden werden? Da gibt es zwei Varianten: Eine barocke Version und eine, die den Zustand vor der Zerstörung aufgreift.

Wir waren innerhalb der Bürgerinitiative Stadtbildd unterschiedlicher Meinung, welcher Entwurf der bessere ist. Bei der internen Abstimmung hat die barocke Version von Martin Trux gewonnen. Ich persönlich könnte aber auch mit der anderen von Pontus Falk leben. Dazu gab es indes eine Stadtratsdiskussion: Das Narrenhäusel wurde 1936 und 1937 umgebaut, veranlasst vom damaligen Bürgermeister Ernst Zörner. Der Nationalsozialist wurde als Günstling Adolf Hitlers Dresdens Oberbürgermeister. Die Falk-Version entspricht dieser Epoche. Auch um Debatten darüber keinen Raum zu geben, wäre es einfacher, die barocke Version zu wählen, weil sie sich am Original, dem Wohnhaus von Hofnarr Fröhlich orientiert.

Dresden hat ja schon an vielen Stellen gezeigt, dass man verschiedene Zeitschichten rekonstruiert. So hatte das Taschenbergpalais vor der Zerstörung ein flaches Walmdach. Wieder aufgebaut wurde es mit einem Mansarddach. Die Bürger sollten beim Narrenhäusel mitreden dürfen.

Wie genau soll das funktionieren?

Die Architekten der beiden Entwürfe sollen diese noch einmal überarbeiten. Über die neuen Versionen muss vorher unbedingt ein Meinungsbild der Bevölkerung eingeholt werden. Denn am Ende sind es die Details, die darüber entscheiden, ob ein Gebäude gelungen wirkt oder nicht. Mir gefällt zum Beispiel nicht, dass die drei runden Dachfenster im Entwurf von Pontus Falk keine Sprossen haben.Auch sollten die Rundbögen im Untergeschoss einheitlich sein. Bevor der Stadtrat endgültig entscheidet, welche Version rekonstruiert wird, sollte der Bürger befragt werden.

Könnte das nicht auch zur Verzögerung des Projektes führen?

Der Weg zum Narrenhäusel war seit 2017 ein langer. Da sollte auf den letzten Metern genügend Zeit dafür sein, die bestmögliche Lösung zu finden. Eine Abstimmung unter den Dresdner wäre das geringste Problem. Ich befürchte, dass am Ende das Mansarddach verändert wird, der ganze Entwurf wäre dann nicht mehr stimmig.

Diese Entwürfe für das Narrenhäusel sind favorisiert: Oben der am Barock angelehnte von Martin Trux, unten der Modernere von Pontus Falk. © Visualisierung: arte 4D, privat

 

 

Sollen Dresdner Bürger darüber abstimmen dürfen, welcher Entwurf des Narrenhäusels rekonstruiert werden soll?

Abstimmung bei Sächsische Zeitung