Neue Komplikationen beim Narrenhäusel-Projekt

Sächsische Zeitung vom 09.08.2018

Die Stadt fordert einen Fassadenwettbewerb. Der Investor beruft sich auf den Stadtratsbeschluss.

Von Kay Haufe

Muss er oder muss er nicht? Frank Wießner ist sich sicher, dass er keinen Fassadenwettbewerb für das Narrenhäusel veranlassen muss. Im November 2017 hatte der Bauunternehmer als Meistbietender den Zuschlag für das Grundstück an der Augustusbrücke erhalten, auf dem das Narrenhäusel wieder entstehen soll. Und im Beschlusstext zum Wiederaufbau steht: „Es ist sicherzustellen, dass der Käufer das Narrenhäusel in seiner äußeren Gestalt wie vor der Zerstörung aufbaut.“ Damit ist für Wießner alles klar, denn die architektonischen Studien, die er in Auftrag gegeben hat, beziehen sich genau auf diese Gestalt. „Dazu haben wir auch ausreichend historisches Material, um alles planen zu können“, sagt der Bauunternehmer. Nur zur Nordansicht fehlen wenige Unterlagen, deshalb hatte Wießner für diesen Bereich einem Wettbewerb zugestimmt. Den kann er aber erst ausloben, wenn er Besitzer des Grundstückes ist.

Die Stadtverwaltung beharrt jedoch auf einem Fassadenwettbewerb. Wießner habe der Durchführung zugestimmt und sei darüber im Gespräch mit dem Stadtplanungsamt, schreibt Baubürgermeister Raoul Schmidt-Lamontain (Grüne) auf SZ-Anfrage. Das sieht der Bauunternehmer anders. „Es geht nur um die Nordfassade.“ Doch hier hält Schmidt-Lamontain entgegen: Das Grundstück sei mit der Bedingung eines Fassadenwettbewerbs ausgeschrieben worden. Das heiße, den Zuschlag kann nur derjenige erhalten, der die vom Stadtrat beschlossenen Bedingungen erfüllt. „Wir sind hier an einer der bedeutendsten Stellen in Dresden. Da nur die Nordfassade wettbewerblich zu betrachten, wäre dem Ort nicht angemessen.“

Möglicherweise hatte der Baubürgermeister in dieser Frage noch die Bedenken einiger Institutionen im Hinterkopf, die sich kritisch zur Wiedererrichtung des Narrenhäusels geäußert haben. Darunter Architekturprofessor Thomas Will von der TU Dresden. „Es geht hier nicht um die Frage pro und kontra Rekonstruktion eines historischen Hauses … Es geht beim Narrenhäusel zuvorderst darum, ob ein privates Gebäude, das zu keiner Zeit als Einzelbau existierte oder auch nur gedacht war, als isoliert geplanter Wiederaufbau die Rolle eines monumentalen Solitärbaus übernehmen kann“, schrieb er an Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) vor der Stadtratsentscheidung 2016. Die Dresdner Regionalgruppe des Bundes Deutscher Architekten forderte damals ein Gesamtkonzept für die Gestaltung des Königsufers, in das das Narrenhäusel eingebunden werden soll. Der Stadtrat beschloss jedoch mit großer Mehrheit den Wiederaufbau.

Damit Wießner endlich loslegen könne, wolle der Baubürgermeister dem Investor entgegenkommen, wie er schreibt. So müsse der Investor keinen regelkonformen Wettbewerb durchführen, sondern lediglich drei Büros direkt beauftragen. „Da ist der Aufwand viel geringer“, ist sich Schmidt-Lamontain sicher. Laut Wießner bedeute das aber Mehrkosten von bis zu 100 000 Euro. „Das funktioniert so nicht, wo soll das Geld dafür herkommen“, fragt der Dresdner, der bereits mehrere denkmalgeschützte Gebäude saniert hat.

Dennoch wolle er jetzt keinen Rückzieher machen. „Aber es muss seriöse Gespräche geben, bei denen nicht im Nachhinein die Regeln geändert werden“, sagt Wießner. Die Stadt hat inzwischen signalisiert, dass der Wettbewerb oder die Beauftragung alternativer Lösungen erst sinnvoll ist, wenn Frank Wießner Sicherheit über den Kauf des Grundstücks hat. Denn noch immer hat er keinen Vertrag dazu. Nun soll das Amt für Hochbau und Immobilienverwaltung ermächtigt werden, ihm ein notarielles Angebot zum Erwerb des Grundstücks zu unterbreiten.

SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Blümel schätzt das als klassische Hinhaltetaktik ein. „Der Vertrag hätte längst geschlossen sein können, denn der Beschluss des Stadtrates war eindeutig“, sagt er. Für FDP-Fraktionschef Holger Zastrow setzt die Verwaltung das gesamte Projekt Narrenhäusel durch die Forderung des Fassadenwettbewerbes aufs Spiel. „Aber vielleicht ist es ja genau das, was sie will“, sagt er. Die Formulierung im Beschlusstext, dass das Narrenhäusel in seiner äußeren Gestalt wie vor der Zerstörung aufgebaut werden soll, sei eindeutig, sagt auch Gunter Thiele, der baupolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Stadtrat. Deshalb sei die Forderung nach einem Wettbewerb eine „fadenscheinige Verfahrensweise“, die alles verzögere. „Das kritisiere ich scharf“, sagt Thiele.

Thomas Löser, Fraktionschef der Grünen, will das Thema nun im Bauausschuss in der kommenden Woche ansprechen. 100 000 Euro Mehrkosten für den Investor seien eine große Summe, finden er und Hendrik-Stalmann-Fischer, baupolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. „Es muss eine Kompromissmöglichkeit in der Wettbewerbsfrage geben“, sagt Stalmann-Fischer. Immerhin will Wießner das Narrenhäusel nicht nur bauen, sondern das Haus nach 60 Jahren kostenlos an die Stadt übertragen.

 

Diese Visualisierung zeigt, wie das Narrenhäusel wiederaufgebaut werden soll. Es ist die Gestalt wie vor der Zerstörung 1945.

© Visualisierung: Arte4D