Andernorts werden sie gefeiert und ausgezeichnet, in der eigenen Stadt hingegen wird die Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden (GHND) nicht mal erwähnt, als es um 20 Jahre Neumarkt-Gestaltungskommission geht. Das sei bedauerlich, aber der Zuspruch aus der Bevölkerung und von Fachleuten aus dem In- und Ausland wiege viel auf, sagt Vorstandsvorsitzender Torsten Kulke.
20 Jahre gibt es den Verein jetzt schon. Sein Wirken wurde unter anderem mit dem nationalen Preis für Stadtentwicklung geehrt sowie den renommierten Preisen der Philippe-Rotthier-Stiftung Brüssel und dem Henry-Hope-Award in Boston.
Entstanden ist die GHND eigentlich aus Widerstand heraus. Das in den 90er-Jahren entstandene Gebäude an der Frauenkirche mit der blau davorgehängten Fassade gab den Ausschlag, bürgerschaftliches Engagement zu bündeln, sagt Kulke. „Wir mussten etwas unternehmen, damit die Stadt vor weiteren Scheußlichkeiten bewahrt bleibt.“ Schon im ersten Jahr des Bestehens kamen zu den 20 Gründungsmitgliedern rund 500 dazu. Ein Jahr später wuchs die Mitgliederzahl auf 750. Der Verein scheint den Nerv vieler getroffen zu haben, auch wenn mancher Dresdner hinter vorgehaltener Hand sagt, eigentlich müsse die Gesellschaft Hysterischer Neumarkt heißen.
Dabei habe man gar nicht prinzipiell etwas gegen modernes Bauen, sagt Kulke. Doch es komme darauf an, wie gut es sich in das Bestehende einpasse. Kulke nimmt für sich und seinen Verein in Anspruch, mehrere unpassende Gebäude auf dem Neumarkt verhindert zu haben. Sei es ein moderner, aufgeständerter Entwurf an der Töpferstraße oder der eigentliche Siegerentwurf für das Hotel de Saxe. Heute stehen dort ganz andere Gebäude, als von der Gestaltungskommission damals ausgewählt. Vor allem der Baywobau zollt Kulke Respekt, die den Mut hatte, ein historisierendes Hotel de Saxe zu bauen und damit ein Signal für den Neumarkt gesetzt habe.
Auch statt des historischen Heinrich-Schütz-Hauses hätte ein modernes Gebäude entstehen sollen, hier hat der Investor ebenfalls anders entschieden. Unzufrieden ist die GHND nach wie vor mit dem Dach des Moritzhauses, das das Nürnberger Unternehmen KIB gebaut hat. Hier hätte die Stadt Gestaltungsspielraum aus der Hand gegeben, sagt Kulke.
Er erinnert sich an die Bürgerversammlung zum Neuen Gewandhaus, als es angesichts des Entwurfes eines Stuttgarter Büros fast Tumulte gegeben hat. Daraus erwuchs die Entscheidung, den Platz nicht zu bebauen. Nun ist er so, wie er es seit 1780 auch schon war, als der sächsische Hof den Bereich für die Öffentlichkeit zur Verfügung stellte, so Kulke. „Hier muss man anerkennen, dass die Stadt auf vier bis fünf Millionen Euro verzichtet hat, die sie aus dem Verkauf bekommen hätte. Und außerdem in die Gestaltung des Grünen Gewandhauses investiert hat“, sagt der GHND-Chef.
2005 ist der Verein selbst aktiv geworden und hat das Haus Rampische Straße 29 nach alten Fotos auf der 156 Quadratmeter großen Parzelle so originalgetreu wie möglich wieder aufgebaut. Für die 2,1 Millionen Euro wurden 680.000 Euro Spenden verwendet, der Rest ist über eine Bank finanziert. 2010 wurde das Gebäude bezogen, unter anderem entstanden hier die Geschäftsstelle der GHND sowie Studentenwohnungen.
Auch wenn der Neumarkt in drei Jahren fertiggestellt sein wird, will die GHND nicht aufhören. Inzwischen hat sie die Satzung geändert und fühlt sich auch der Bewahrung historischer Gebäude am Königsufer und dem Neustädter Markt verpflichtet. Angefangen habe dieser Prozess mit dem Stadtratsbeschluss, das Narrenhäusel wieder aufzubauen. „Die Gebäude Blockhausgässchen 3 sowie Große Meißner Straße 1,3 und 5 gehörten vor der Zerstörung 1945 zu den Dresdner Denkmalen. Deshalb wäre es schön, wenn sie originalgetreu wiederaufgebaut würden“, sagt Kulke und lobt die Bürgerbeteiligung, die die Stadt für den Wettbewerb organisiert hat. Das sei ziemlich einmalig in Deutschland. Jetzt müsse für das Königsufer schnell ein Bebauungsplan aufgestellt und am besten auch eine Gestaltungssatzung erlassen werden. „Es ist ja nicht nur ein Akt der Bauplanung, sondern ein politisches Bekenntnis“, sagt Kulke.
Die GHND lädt am 13. Mai von 8.30 bis 18.30 Uhr zum Symposium „Der Gegenentwurf – Moderne traditionelle Stadtplanung und Architektur“ mit namhaften Referenten ein. Die Teilnahme ist kostenlos, allerdings muss man sich auf dieser Website zwingend anmelden.
20 Jahre gibt es die Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden e.V. Sie hat einen großen Anteil daran, dass Dresden sein altes historisches Herz wiederbekommen hat. „Aber der Prophet gilt nichts im eigenen Land“, sagt Vereinschef Kulke. Zum Jubiläum lässt er Revue passieren, welche baulichen Ideen es für den Wiederaufbau des Neumarktes gab und wogegen der Verein Sturm lief.
Vor 20 Jahren gründeten engagierte Bürger, darunter Architekten, Historiker, Denkmalpfleger und viele andere Berufsgruppen die Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden e.V. (GHND). Ihr Ziel: den Neumarkt so weit wie möglich mit seinen kunst- und kulturgeschichtlich wertvollen Bauten wiederherzustellen, um Dresdens „altes historisches Herz als Zentrum der Bürgerstadt zurückzugewinnen“, wie es 1999 Prof. Hans-Joachim Neidhardt formulierte.
Initialzündung für Bürgerengagement
Der Bau des Advantariegels und der moderne Anbau an das Coselpalais seien Initialzündungen für die Bürgerschaft gewesen, aktiv zu werden. „Wenn das jetzt das ist, was rund um die Frauenkirche entstehen soll, dann ist das Ziel verfehlt, war der Gedanke damals“, so Vereinsvorsitzender Torsten Kulke. „Wir sind nicht prinzipiell gegen die Moderne, aber solche Bauten sollten dort entstehen, wo sie hinpassen.“
So beschlossen zunächst 20 Bürger, sich aktiv in den Gestaltungsprozess einzubringen und gründeten den Verein. Dessen Mitgliederzahl wuchs im ersten Jahr auf 500, im zweiten auf 750 Mitglieder an, erzählt Kulke. Heute seien es noch rund 600.
Verein betreibt Informationspavillon
Der Verein organisierte Bürgerversammlungen, initiierte ein Bürgerbegehren zum historischen Neumarkt, stellte einen Informationspavillon zum Neumarkt auf und betreibt diesen bis heute ehrenamtlich. Die Gesellschaft brachte und bringt sich vehement in die öffentliche Diskussion ein und habe so manchen futuristischen Bau am Neumarkt verhindern können.
Verein will mit Rekonstruktion eines Bürgerhauses ein Zeichen setzen
Nicht zuletzt kaufte der Verein selbst ein 156 Quadratmeter großes Grundstück am Neumarkt und baute das nur 6,80 Meter breite Gebäude Rampische Straße 29 nach historischem Vorbild wieder auf. Der Verein wollte damit beweisen, dass sich eine weitestgehend authentische Rekonstruktion und eine moderne Nutzung vereinbaren lassen.
„Wer Gegenwind produziert, bekommt Gegenwind zurück“, macht Kulke deutlich, dass die GHND von Anfang an im Kreuzfeuer der Kritik stand und einige Mitglieder auch persönlichen Anfeindungen ausgesetzt gewesen seien. Aber das Engagement habe sich gelohnt.
Zeit zum Erleben und Genießen, aber nicht zum Ausruhen
„Sie blicken nur in lächelnde Gesichter“, sagt Vorstandsmitglied Helfried Berndt auf die Frage, ob der Verein zufrieden mit dem wiederaufgebauten Neumarkt ist. „Wir wollen ihn erleben und genießen“, ergänzt Vorstandsmitglied Jürgen Borisch.
Das Ziel des Vereins sei nie gewesen, gegen jemanden zu arbeiten, sondern die beste Lösung für die Stadt zu finden, betont Vereinsvorsitzender Torsten Kulke. Der Verein hätte sich allerdings ein besseres Miteinander mit Stadtplanung, Gestaltungskommission und der Architektenschaft gewünscht, dann hätte man an der einen oder anderen Stelle noch mehr erreichen können.
Auszeichnungen für Gesellschaft Historischer Neumarkt
2008 zeichnete die Philippe Rotthier Stiftung den Neumarkt als „Beste Rekonstruktion eines historischen Zentrums“ aus und ehrte auch die GHND mit einer Urkunde. 2009 bekam der Verein den Bundespreis für Stadtentwicklung und Baukultur in der Kategorie „Engagiert für die Stadt – Zivilgesellschaft und private Initiative“. 2018 erhielt Torsten Kulke den internationalen „Henry Hope Reed Award“ für sein Engagement beim Wiederaufbau des Dresdner Neumarkts. Die Anerkennung für das, was der Verein erreicht habe, sei außerhalb Dresdens viel größer. „Von der Stadt gab es nicht einmal einen Händedruck für 20 Jahre Arbeit des Vereins“, so Kulke. „Der Prophet gilt nichts im eigenen Land.“
Verein dehnt Engagement auf Neustädter Markt aus
Beendet sieht die GHND ihre Arbeit noch lange nicht. Denn noch sind zwei große Quartiere am Neumarkt im Bau. Und der Verein setzt sich dafür ein, dass das Grundstück für den Wiederaufbau des Hotels Stadt Rom „schnellstens ausgeschrieben wird“. Es gebe drei Interessenten, weiß Kulke. Des Weiteren dehnt die GHND ihr Engagement jetzt auch auf den Neustädter Markt aus.
Stadtbausymposium mit internationalen Experten
Anlässlich ihres 20-jährigen Bestehens organisiert die Gesellschaft Historischer Neumarkt am 13. Mai im Plenarsaal des Dresdner Rathaus das 3. Dresdner Stadtbausymposium. Thema „Der Gegenentwurf – Moderne traditionelle Stadtplanung und Architektur“. Denn heute präge unsere neu gebauten Stadtviertel und Plätze Uniformität, so der Verein. Er will im 100. Jahr der Bauhausgründung mit nationalen und internationalen Experten „kritisch auf die zeitgenössischen Entwicklungen blicken“.
Stadtbausymposium
Was? 3. Dresdner Stadtbausymposium „Der Gegenentwurf – Moderne traditionelle Stadtplanung und Architektur“ der Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden e.V.
Wann? 13. Mai, 8.30-18.30 Uhr
Wo? Plenarsaal des Dresdner Rathauses, Dr.-Külz-Ring, Eingang Goldene Pforte
Eintritt? Nein, die Veranstaltung ist kostenfrei und öffentlich. Allerdings ist eine Anmeldung unter www.stadtbausymposium-dresden.de dringend empfohlen. Denn es treten mehrere ausländische Referenten auf, die in ihrer Landessprache sprechen. Wer sich anmeldet, bekommt ein Übersetzungsgerät.
Themen? Deutschland zwischen Tradition und Moderne; New Urbanism – Der Gegenentwurf; Moderne Traditionelle Stadtplanung und Architektur
Referenten: Professoren der TU Berlin, der University of Notre Dame, des Instituts für Städtebaukunst, der TU Dresden, der TU Chemnitz sowie Architekten aus Deutschland, Luxemburg, Italien, Frankreich und andere