Was Neumarkt-Hüter verhindern konnten

Sächsische Zeitung vom 26.04.2019

Sie haben nichts gegen moderne Bauten, sondern suchen das Beste für die Stadt, sagen die Mitstreiter der Gesellschaft Historischer Neumarkt.

Andernorts werden sie gefeiert und ausgezeichnet, in der eigenen Stadt hingegen wird die Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden (GHND) nicht mal erwähnt, als es um 20 Jahre Neumarkt-Gestaltungskommission geht. Das sei bedauerlich, aber der Zuspruch aus der Bevölkerung und von Fachleuten aus dem In- und Ausland wiege viel auf, sagt Vorstandsvorsitzender Torsten Kulke.

20 Jahre gibt es den Verein jetzt schon. Sein Wirken wurde unter anderem mit dem nationalen Preis für Stadtentwicklung geehrt sowie den renommierten Preisen der Philippe-Rotthier-Stiftung Brüssel und dem Henry-Hope-Award in Boston.

Entstanden ist die GHND eigentlich aus Widerstand heraus. Das in den 90er-Jahren entstandene Gebäude an der Frauenkirche mit der blau davorgehängten Fassade gab den Ausschlag, bürgerschaftliches Engagement zu bündeln, sagt Kulke. „Wir mussten etwas unternehmen, damit die Stadt vor weiteren Scheußlichkeiten bewahrt bleibt.“ Schon im ersten Jahr des Bestehens kamen zu den 20 Gründungsmitgliedern rund 500 dazu. Ein Jahr später wuchs die Mitgliederzahl auf 750. Der Verein scheint den Nerv vieler getroffen zu haben, auch wenn mancher Dresdner hinter vorgehaltener Hand sagt, eigentlich müsse die Gesellschaft Hysterischer Neumarkt heißen.

Dabei habe man gar nicht prinzipiell etwas gegen modernes Bauen, sagt Kulke. Doch es komme darauf an, wie gut es sich in das Bestehende einpasse. Kulke nimmt für sich und seinen Verein in Anspruch, mehrere unpassende Gebäude auf dem Neumarkt verhindert zu haben. Sei es ein moderner, aufgeständerter Entwurf an der Töpferstraße oder der eigentliche Siegerentwurf für das Hotel de Saxe. Heute stehen dort ganz andere Gebäude, als von der Gestaltungskommission damals ausgewählt. Vor allem der Baywobau zollt Kulke Respekt, die den Mut hatte, ein historisierendes Hotel de Saxe zu bauen und damit ein Signal für den Neumarkt gesetzt habe.

Auch statt des historischen Heinrich-Schütz-Hauses hätte ein modernes Gebäude entstehen sollen, hier hat der Investor ebenfalls anders entschieden. Unzufrieden ist die GHND nach wie vor mit dem Dach des Moritzhauses, das das Nürnberger Unternehmen KIB gebaut hat. Hier hätte die Stadt Gestaltungsspielraum aus der Hand gegeben, sagt Kulke.

Er erinnert sich an die Bürgerversammlung zum Neuen Gewandhaus, als es angesichts des Entwurfes eines Stuttgarter Büros fast Tumulte gegeben hat. Daraus erwuchs die Entscheidung, den Platz nicht zu bebauen. Nun ist er so, wie er es seit 1780 auch schon war, als der sächsische Hof den Bereich für die Öffentlichkeit zur Verfügung stellte, so Kulke. „Hier muss man anerkennen, dass die Stadt auf vier bis fünf Millionen Euro verzichtet hat, die sie aus dem Verkauf bekommen hätte. Und außerdem in die Gestaltung des Grünen Gewandhauses investiert hat“, sagt der GHND-Chef.

2005 ist der Verein selbst aktiv geworden und hat das Haus Rampische Straße 29 nach alten Fotos auf der 156 Quadratmeter großen Parzelle so originalgetreu wie möglich wieder aufgebaut. Für die 2,1 Millionen Euro wurden 680.000 Euro Spenden verwendet, der Rest ist über eine Bank finanziert. 2010 wurde das Gebäude bezogen, unter anderem entstanden hier die Geschäftsstelle der GHND sowie Studentenwohnungen.

Auch wenn der Neumarkt in drei Jahren fertiggestellt sein wird, will die GHND nicht aufhören. Inzwischen hat sie die Satzung geändert und fühlt sich auch der Bewahrung historischer Gebäude am Königsufer und dem Neustädter Markt verpflichtet. Angefangen habe dieser Prozess mit dem Stadtratsbeschluss, das Narrenhäusel wieder aufzubauen. „Die Gebäude Blockhausgässchen 3 sowie Große Meißner Straße 1,3 und 5 gehörten vor der Zerstörung 1945 zu den Dresdner Denkmalen. Deshalb wäre es schön, wenn sie originalgetreu wiederaufgebaut würden“, sagt Kulke und lobt die Bürgerbeteiligung, die die Stadt für den Wettbewerb organisiert hat. Das sei ziemlich einmalig in Deutschland. Jetzt müsse für das Königsufer schnell ein Bebauungsplan aufgestellt und am besten auch eine Gestaltungssatzung erlassen werden. „Es ist ja nicht nur ein Akt der Bauplanung, sondern ein politisches Bekenntnis“, sagt Kulke.

Die GHND lädt am 13. Mai von 8.30 bis 18.30 Uhr zum Symposium „Der Gegenentwurf – Moderne traditionelle Stadtplanung und Architektur“ mit namhaften Referenten ein. Die Teilnahme ist kostenlos, allerdings muss man sich auf dieser Website zwingend anmelden.