Dresdner Neueste Nachrichten vom 12.8.2020
Auf dem Ferdinandplatz soll ein neues Rathaus entstehen. Die Archäologen befördern im Moment viel geschichtsträchtiges Material zu Tage. Doch die Geschichte des Gebiets könnte bei dem Neubau zu kurz kommen, befürchten Politiker.
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Der SPD-Baupolitiker Stefan Engel schlägt jetzt vor, Elemente aus der Dresdner Stadtgeschichte sichtbar in den Neubau zu integrieren. Der Stadtrat verweist auf über 7100 Fragmente, die im Lapidarium in der Zionskirche aufbewahrt werden. „Viele können am Originalstandort nicht mehr verwendet werden, weil die städtebaulichen Strukturen überbaut sind“, so Engel.
Vergabeverfahren für Neubau schon weit vorangeschritten
Da die Stadtverwaltung den Anspruch formuliert habe, möglichst viele der eingelagerten Objekte an geeigneten, öffentlich zugänglichen Orten einzubauen oder aufzustellen, biete sich der Bau des Verwaltungszentrums regelrecht dafür an, so der Sozialdemokrat.
Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) erteilte dem Ansinnen jetzt eine kurze und knappe Absage: „Die Verwendung von Elementen aus dem Lapidarium wäre aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht vertretbar“, erklärte er. Zudem sei das Vergabeverfahren für den Neubau schon weit vorangeschritten. Eine Änderung der Unterlagen könne zur Aufhebung des Verfahrens führen. Die Anregung des SPD-Stadtrats könne ja bei der Planung der Brunnen auf dem Vorplatz aufgenommen werden, so Hilbert.
Sterile Hülle ohne Dresdner Seele
Die Antwort sorgt für Unmut. „Es beginnt das gleiche schmierige Spiel der Verwaltung wie beim Kulturkraftwerk. Vernünftige Vorschläge aus dem Stadtrat wurden seinerzeit mit Verweis auf das Ausschreibungsverfahren abgeblockt, wie der Vorschlag der Linken, die Theaterwerkstätten direkt am Standort anzuordnen und nicht in Cotta“, erklärte Linke-Bauexperte Tilo Wirtz. Er unterstütze den Vorschlag von Stefan Engel, so Wirtz. „Mir stellt sich grundsätzlich die Frage, ob das Verwaltungszentrum derzeit wirtschaftlich vertretbar ist. Auf ein paar skulpturale Bauwerkselemente, die beispielsweise im Foyer ohne jeglichen Einfluss auf die Baumaßnahme aufgestellt werden könnten, kommt es da mit Sicherheit nicht an.“
Heimatforscher und Architekturexperte Mathias Körner hat jetzt einen offenen Brief an den OB geschrieben. Er befürchtet, dass das Verwaltungszentrum zur sterilen Hülle ohne Dresdner Seele wird. „Die Stadt hätte prüfen lassen müssen, welche eingelagerten Objekte im neuen Verwaltungsbau eine Wiederverwendung hätten finden können“, so Körner. Er forderte den OB auf, das Anliegen an die zuständige Kommission heranzutragen.
So wie bei der Planung für den Kulturpalast Orgel und Restaurant vergessen wurden und erst nach Bürgerprotesten eingeordnet worden seien, so müssten auf dem Ferdinandplatz der historische Ort und die künftige öffentliche Funktion mit Fragmenten aus dem Lapidarium verbunden werden, findet der Heimatforscher.
Von Thomas Baumann-Hartwig
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