Neue Pläne für Wiederaufbau des „Chiapponischen Hauses“ in Dresden

DNN vom 19.11.2016

 

Für den Wiederaufbau des Chiapponischen Hauses am Neumarkt gibt es einen neuen Entwurf. Die Baufirma USD legte am Freitag ihre geänderten Pläne vor. Am Vorabend stand die Verwaltung bei einer Veranstaltung der Gesellschaft Historischer Neumarkt (GHND) im Kreuzfeuer der Kritik.

 

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So soll das Chiapponische Haus aussehen. Es wird links um eine Fensterachse schmaler als nach dem Wunsch der Neumarkt-Gesellschaft. Quelle: USD/PR

Im Frühjahr hatten die Neumarkt-Wächter die Ergebnisse eines Wettbewerbsverfahrens für das Chiapponische Haus kritisiert und der Stadt vorgeworfen, sie verhindere den historischen Wiederaufbau. „Wir setzen die Grundzüge der Fassadengestaltung aus dem Werkstattverfahren in Richtung Kulturpalast um“, sagt Arndt Anger, Projektleiter bei der USD Immobilien GmbH (USD), am Freitag. „Auf Anregung und Bitten“ der GHND werde die ursprüngliche Leitfassade zur Frauenstraße wieder aufgegriffen. Dort will sich USD an das historische Vorbild „anlehnen“. Schon bei der Podiumsdiskussion am Donnerstagabend im Stadtmuseum präsentierte die Neumarkt-Gesellschaft die Veränderung als Beispiel für erfolgreiche Verhandlungen mit einem Investor, die es in anderen Fällen leider nicht gebe.

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Die Neumarkt-Gesellschaft hatte sich ein Gebäude mit historischer Fassade auch zum Kulturpalast zu (links) gewünscht. Die Fassade zur Frauenstraße sollte auch links neben dem Erker vier Fensterachsen haben. Quelle: GHND

Im Chiapponischen Haus entstehen 16 Wohnungen mit insgesamt 1350 Quadratmetern Fläche (2- bis 4-Raum-Wohnungen) und zwei Ladenflächen mit insgesamt 250 Quadratmetern. Der Abschluss des Rohbaus ist für Mitte des dritten Quartals 2017 geplant, Ende 2017 folgt die Fertigstellung des Daches. „Wenn das Wetter mitspielt und alle Gewerke gut miteinander harmonieren, dann steht einer Fertigstellung im September 2018 nichts im Weg“, erklärt der verantwortliche USD-Projektleiter abschließend.
Heiße Debatte auch um Narrenhäusel

Moderator Dankwart Guratzsch, der seit Jahrzehnten als Journalist mit Herzblut die städtebauliche Entwicklung in Dresden verfolgt, verwies auf Wiederaufbau-Projekte in Berlin und Frankfurt. Das zeige, die Dresdner „sind nicht reaktionär“, sondern sogar „Pioniere“.

In der bisweilen aufgeheizten Debatte stand immer wieder die Stadtverwaltung im Fokus der Kritik. Hartnäckig widersprach der Leiter des Stadtplanungsamtes, Stefan Szuggat, den Vorwürfen. Viele Anwesende im bis auf den letzten Platz gefüllten Festsaal des Stadtmuseums, dürfte er jedoch nicht überzeugt haben. Bei Redebeiträgen, die bisweilen einen inquisitorischen Charme versprühten, hatten es Meinungen im Widerspruch zur Saalmehrheit ohnehin schwer. Vielfach zeigten sich Kommunikationsdefizite. Mangelnde Informationen über Abläufe, rechtliche Bestimmungen bei Bauvorhaben, den häufigen Zwang zu Kompromissen und die begrenzten Möglichkeiten ehrenamtlicher Stadträte sind wohl immer wieder Nährboden für Frust.

So musste sich Szuggat auch in der Diskussion um den Wiederaufbau des Narrenhäusels „Widerstand in der Stadtverwaltung“ vorhalten lassen. Der Stadtplanungschef verwies erneut auf die laufenden Prüfungen beispielsweise zur Verkehrsanbindung. Das Gebäude, das teilweise in die Augustusbrücke hineinragen würde, könne nicht exakt an der historischen Stelle wiedererrichtet werden, bekräftigte er Überlegungen zu einer Verschiebung, weil das für die Verkehrssicherheit notwendig sei (DNN berichteten). Bis Ende des Jahres würden die Vorbereitungen für die Ausschreibung des städtischen Grundstücks abgeschlossen. Dann könne der Stadtrat im Februar oder März darüber entscheiden. Für den Wiederaufbau steht ein Investor bereit. Es müsse aber überlegt werden, wie es mit dem Königsufer insgesamt weitergehen soll. Dafür werde an einem Bebauungsplan gearbeitet, mit dem die Stadt die Entwicklung steuern könne. „Jeder Fehler wird uns da später aufs Brot geschmiert“, meinte Szuggat und erntete sogar einmal Zustimmung, zumindest bei den mit ihm im Podium sitzenden Stadträten.

Gordon Engler (AfD) meinte, die Verwaltung sei „auf einem guten Weg“. Christdemokrat Gunter Thiele bezweifelte jedoch, dass die Ausschreibung schon bis März beschlossen sein werde. Im Interesse des Ergebnisses sprach sich Franz-Josef Fischer (FB/FDP) für „Geduld“ aus. Der Baupolitiker der Linken, Tilo Wirtz, warnte ebenso vor dem Risiko, aufs Tempo zu drücken. Ohne Bebauungsplan drohe baulicher Wildwuchs am Königsufer.

Ein solcher Bebauungsplan wird noch Jahre auf sich warten lassen. Ein normales B-Plan-Verfahren dauere „zwei bis zweieinhalb Jahre“, sagte Szuggat. Da es für eine hochwertige Lösung ein Wettbewerbsverfahren geben soll, dürfte es aber noch langwieriger werden. „In den nächsten zwei Jahren fehlt uns das Geld.“ So könne es durchaus viereinhalb Jahre dauern, rechnete Szuggat vor.

Die Stadträte haben jedoch bereits beschlossen, dass dieses Verfahren das Narrenhäusel nicht ausbremsen soll, betonte Hendrik Stalmann-Fischer (SPD). Dem schloss sich Löser an, sprach sich aber gegen eine Verschiebung das Narrenhäusel-Standortes aus. „Da sollte man schon authentisch bleiben.“ Eine autofreie Augustusbrücke könnte dabei ja behilflich sein. Für das Areal gehe es vor allem um die Qualität der Bebauung. Als Szuggat anregte, die Neumarkt-Gesellschaft könne das Wettbewerbsverfahren ja finanziell unterstützen, schallte es „Frechheit“ und „unverschämt“ aus dem Publikum. Als ein Zuschauer vorschlug, das Narrenhäusel mit Arkaden zum Wartehäuschen zu machen und mehr Platz für den Verkehr zu gewinnen, blieb es dagegen ruhig im Saal.
Offener Brief zum Moritzhaus?

Vor allem in der Diskussion um das Moritzhaus am Neumarkt geriet die Stadtverwaltung wieder ins Kreuzfeuer. Die Nürnberger KIB-Gruppe will demnächst mit dem Bau beginnen und in das Gebäude neben dem Kulturpalast mehr als 20 Millionen Euro investieren. Die Neumarkt-Wächter kritisieren unter anderem geplante Staffelgeschosse und das Flachdach. Der frühere Baubürgermeister Gunter Just warf der Stadt vor, sie habe sich „nicht eng an das städtebaulich-gestalterische Konzept“ für den Neumarkt gehalten. Szuggat entgegnete, das Projekt entspreche den Vorgaben. Für Änderungswünsche sieht er jetzt keine rechtlichen Möglichkeiten mehr. Er geht zudem davon aus, dass bei KIB auch kaum noch Bereitschaft bestehen dürfte, das in Rechtsstreitigkeiten um Abstandsregeln mit Nachbar-Investoren mühsam ausgehandelte Paket wieder aufzuschnüren. Die Baugenehmigung sei rechtskräftig.

„Vielleicht ist über öffentlichen Druck noch etwas zu erreichen“, ermunterte Stadtrat Thiele das Publikum zu weiterem Engagement. Grünen-Fraktionschef Löser schlug vor, im Stadtrat über einen offenen Brief an den Investor nachzudenken. Es gebe aber zu Bauprojekten in Dresden nicht nur eine Meinung.

Die KIB-Geschäftsführung hatte ihre Teilnahme an der Veranstaltung wegen des „grundsätzlichen Widerstands“ der Neumarkt-Wächter abgesagt. GHND-Vorstand Torsten Kulke verwies auf die große touristische Anziehungskraft des historischen Areals und forderte Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) auf, „sich endlich hinter diese Sache zu stellen“.

Von Ingolf Pleil