… müssen die Dresdner mitbestimmen dürfen, sagen die Stadtplaner anderer Städte. Bald ist das möglich.
Sächsische Zeitung vom 21.01.2019
Von Sandro Rahrisch
Warum tut sich Dresden mit neuen Hochhäusern nur so schwer? Da wird befürchtet, die historische Altstadt-Silhouette könnte auf ewig verbaut werden. Andere haben Angst, nie wieder die Sonne aus ihrem Wohnzimmerfenster zu sehen, sollte ihnen ein Koloss vor die Nase gesetzt werden. Aber nein, besonders empfindlich sind die Dresdner nicht. Das machte am Montagabend ein Blick über den Stadtrand deutlich. Aus Frankfurt, Wien, Köln und Ingolstadt waren Stadtplaner angereist, um im Ratssaal zu erzählen, wie sie selbst mit neuen Hochhäusern umgehen. Der eindringlichste Rat aller vier an die Dresdner Verwaltung: Holt die Einwohner so früh wie möglich mit ins Boot!
„Alle Veränderungen in einer Stadt lösen Unruhe aus“, sagte Renate Preßlein-Lehle aus Ingolstadt vor knapp 100 Zuschauern. Wer sich um Schatten, mehr Verkehr und Parkplatznot sorge, müsse sich nicht verstecken. „Ich denke, dass das normal ist.“ Wie die fünftgrößte bayrische Stadt damit umgeht? Sollte irgendwo ein Hochhaus geplant werden, müsse die Öffentlichkeit so früh wie möglich davon erfahren, rät sie. „Und dann muss man das ausdiskutieren.“ Die Wiener Stadtplanerin Andrea Eggenbauer sprach sogar davon, dass man neue Hochhäuser öffentlich aushandeln müsse. „Es geht doch um die Frage, wie konsensfähig ein Hochhaus an einer bestimmten Stelle ist.“ Wie die Debatte ausgehe, könne vorher nicht gesagt werden. Im schlimmsten Fall müsse ein Projekt gekippt werden.
So wie zuletzt in Dresden. Nach Anwohnerprotesten und Gegenstimmen im Stadtrat wurde ein Hochhaus-Plan in der Johannstadt beerdigt. Darin sollten Sozialwohnungen der Wohnungsbaugesellschaft Wohnen in Dresden (WID) entstehen. Inzwischen sind die Planungen gestoppt worden. Wie die WID weitermacht, ist noch unklar. Allerdings gibt es weitere Projekte: Am Wiener Platz plant die Stadtverwaltung gleich zwei Hochhäuser, einmal auf dem alten Sarrasani-Spielgelände und einmal zwischen Hauptbahnhof und Budapester Straße. Auf der anderen Seite des Bahndamms will die Drewag eine neue Firmenzentrale in die Höhe bauen.
Frankfurt, Wien, Köln und Ingolstadt bauen zwar auch Hochhäuser, allerdings nicht mehr konzeptlos. Alle vier Städte haben für sich einen Hochhausplan entwickelt, der vorgibt, an welchen Stellen wie hoch gebaut werden darf. Frankfurts Rezept ist es, nur schlanke Türme zu bauen, in Gruppen, überwiegend auf drei festgelegten Arealen. Köln legt Wert darauf, die rechtsrheinische Seite mit dem Dom komplett zu schützen. Auf der anderen Rheinseite werden Kirchen und Denkmäler großzügig von Hochhäusern freigehalten. „Hohe Häuser sind für die Modernität der Stadt nicht zwingend erforderlich“, sagte Stadtplanerin Anne Luise Müller.
Dresden will diesen Weg nun auch gehen und ein Hochhauskonzept erarbeiten lassen, an dem sich die Stadt in Zukunft entlanghangeln kann, um Rückschläge wie das WID-Hochhaus zu vermeiden. Bis März wird ein Gutachter damit beauftragt, im Juni soll die Öffentlichkeit das Zwischenergebnis diskutieren, kündigte Baubürgermeister Raoul Schmidt-Lamontain (Grüne) an. Anfang 2020 werde die Endfassung dann dem Stadtrat vorgelegt. Eines stellte er schon jetzt klar: „Uns geht es darum, die Unverwechselbarkeit des Stadtbildes zu schützen.“ Und wenn man bei der Erarbeitung des Konzeptes zu dem Schluss komme, dass es für Hochhäuser keine geeigneten Stellen gibt, sei das auch ein Ergebnis.
ein Foto:
350 Hochhäuser hat Dresden schon. Einige davon erkennt man beim Blick von der Südhöhe ins Elbtal. © Marco Klinger