Neumarktwächter mahnt: Nicht in Unwichtiges verbeißen

Die Gestaltungskommission gibt in Dresden Einblick in ihre Arbeit

Der Neumarkt ist die gute Stube von Dresden. Die Gestaltungskommission Kulturhistorisches Zentrum entscheidet mit, was wie gebaut werden darf. „Gute Architektur lebt von Zwängen“, meint Kommissions-Mitglied Joachim Kuke. Dresden sei zum Vorbild für viele Städte geworden.

DNN vom 31. März 2017

Warum ist der Neumarkt zu eine der großen Attraktionen Dresdens geworden? Die erste Antwort ist banal: Weil die Frauenkirche wiederaufgebaut wurde. „Gegen den Widerstand der Mehrheit der bundesdeutschen Denkmalpfleger“, wie sich Gerhard Glaser erinnert, früherer Landeskonservator und Mitglied der Gestaltungskommission Kulturhistorisches Zentrum. Das städtische Gremium hat seinen Anteil daran, dass sich der Neumarkt zu einem architektonischen Ensemble entwickelt, das den historischen Stadtgrundriss wiederherstellt, Gebäudefassaden rekonstruiert und sich dennoch den Anforderungen der Neuzeit an ein Gebäude stellt.

Die Gestaltungskommission gab jetzt erstmals seit ihrer Gründung 1998 Einblicke in ihre Arbeit. Harmonisch geht es nicht immer zu, wenn zwischen Interessen von Investoren und der Stadtentwicklung moderiert werden muss. „Dresden kann stolz darauf sein, dass es so ein Gremium gibt“, sagt der Berliner Kunsthistoriker Joachim Kuke. „Wenn man Architekten laufen lässt, entstehen mitunter Monstrositäten. Gute Architektur lebt von Zwängen.“

Die Gestaltungskommission sei dazu da, Zwänge auszuüben. Das vom berühmten Landeskonservator Hans Nadler schon in den 1970er Jahren entwickelte Leitfassaden-Konzept zwinge die Architekten dazu, sich mit dem Ort auseinanderzusetzen, mit seiner Geschichte, den Verbindungen zu anderen Gebäuden in der Nachbarschaft, so Kuke. Dresden, lobt der Kunsthistoriker, habe es geschafft, trotz aller deutschen Baugesetze die historischen Gassen und Abstände wieder aufleben zu lassen. „Nirgendwo sonst wird so eng gebaut wie hier am Neumarkt.“ Das Konzept der Leitfassaden werde unter anderem in Potsdam und Frankfurt/Main fortgeführt. „Dresden hat eine Vorbildfunktion für viele andere Städte.“

Die Berliner Architektin Marina Stankovic, in Kanada geboren und Italien aufgewachsen, sieht die unterschiedlichen Schichten der Stadt am Neumarkt aufleben. An manchen Plätzen seien in der Vergangenheit Gebäude abgerissen und neue errichtet worden. Das „Hotel de Saxe“ etwa sei durch die Königliche Post ersetzt worden. Die Gestaltungskommission habe entschieden, dass nicht das Postgebäude rekonstruiert wird, sondern das Hotel.

Der frühere Landeskonservator Heinrich Magirius erklärte, dass die Kommission auf viele Details Wert lege. „Wir bemühen uns, die originalgetreuen Farben für die historischen Fassaden zu wählen.“ Trümmerstücke würden nach Farbgebung untersucht und auch Gemälde vom historischen Neumarkt.

Glaser erklärte, die Gestaltungskommission sei nicht mit allen Entscheidungen des Stadtrates einverstanden. „Ich halte es für einen großen Fehler, dass das Gewandhausareal nicht bebaut wird.“ Laut Baubürgermeister Raoul Schmidt-Lamontain (Bündnis 90/Die Grünen) soll ein „Grünes Gewandhaus“ aus Bäumen die historischen Linien nachbilden. Die Pflanzarbeiten dafür würden im nächsten Jahr beginnen.

Glaser warnte davor, sich in Nebensächlichkeiten zu verbeißen. Ob die Fassade des „Moritzhauses“ neben der Heinrich-Schütz-Residenz ein Staffelgeschoss erhalte sei ebenso wenig wichtig wie die Rekonstruktion der Fassade des „Palais Riesch“ im Quartier III/2, die der Passant wegen der Abstandsverhältnisse ohnehin nur aus der Schrägsicht zu sehen bekomme. „Wir sollten uns Zeit für die bedeutsamen Dinge nehmen und nie vergessen, dass hier in kürzester Zeit eine ganze Stadt wieder aufgebaut wird“, mahnte der frühere Landeskonservator.

Von Thomas Baumann-Hartwig

 

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Alt und neu: Alt ist in diesem Fall der Kulturpalast und neu das Quartier VII/2 (links)